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Leise schnurrt der Maschinenpark

■ Selbstreferenz als Prinzip: Zwei Berliner Künstler haben in der Galerie im Park Computer- und mechanische Systeme aufgebaut

Der Golem hat Ähnlichkeit mit einem Bildschirmschoner, und sein Schöpfer hat beinahe die Kontrolle über ihn verloren. Kleine Quadrate flimmern da zunächst harmlos und in Form heller Grauwerte und lichter Grüntöne auf dem Monitor. Doch plötzlich und wie aus heiterem Himmel explodiert ein Magenta in der rechten Bildschirmecke, um wieder in sich zusammenzubrechen und durch eine Gelbexplosion abgelöst zu werden. In solchen Momenten sitzt Arnold von Wedemeyer vor seinem Werk und kann nur noch staunen.

Ja, irgendwann einmal hat der 1970 in Göttingen geborene Maler und Computerkünstler dieses Farbsystem programmiert. Der in Berlin lebende von Wedemeyer hat Formeln, genauer: Algorithmen, geschrieben, nach denen das Programm die Farbwerte in einzelnen Monitorabschnitten immer wieder neu berechnet, umkehrt oder nur leicht verändert. Doch dann musste er das Programm zusammen mit einem Computerexperten in eine andere Programmiersprache übersetzen. Seither führt das Programm eine Art Eigenleben, und von Wedemeyer hat nur noch eine letzte und radikale Einflussmöglichkeit: den Computer abschalten.

Arnold von Wedemeyers Computer steht jetzt als eins von mehreren Sommerausstellungsstücken in der Galerie im Park auf dem Gelände des Zentralkrankenhauses Bremen-Ost. Es geht in dem von Susanne Hinrichs betreuten Kunstprogramm – wieder mal – um Systeme sowie um die Verbindung von Computerkunst mit Kunst anderer Sparten.

Auf von Wedemeyer ist sie durch einen hinterlistigen Streich aufmerksam geworden: Über eine Internetseite hat sie sich ein – im Vergleich harmloses – Virus auf den eigenen Rechner geladen. Ein Männchen erschien plötzlich auf dem Bildschirm und verdoppelte sich bei jeder Aktion. Wie den Microsoft-Werbespruch „Where do you want to go today“ nannte von Wedemeyer sein Programm. Denn trotz seines bildschönen Computer-Beitrags sowie dreier großformatiger Farbcluster-Bilder für die Galerie im Park begreift er sich als technik- (oder besser: ideologie-) kritisch.

Sein Partner in Bremen, der gleichfalls in Berlin lebende Markus Krieger (Jahrgang 1969), setzt statt auf Computer auf herkömmliche Mechanik. Aus winzigen Motoren und 400 Bindfäden hat er eine hängende Installation hergestellt. Die kleinen Motoren oben und unten bringen die Bindfäden in eine Rotation. Manchmal verwickeln sie sich kurz und wickeln sich wieder ab. Genauso wie ein im Wind sich wiegender Baum niemals die gleiche Gestalt wieder annimmt, ist das kybernetische System trotz der minimalistischen Konstruktion wie ein Gewächs.

Vier Wochen lang lässt Krieger es schnurren und von Wedemeyer die Farben ex- und wieder implodieren. Der kleine Maschinenpark im Park ist mit sich selbst beschäftigt, und vielleicht kommt ja mal ein Mensch vorbei und guckt, denn er sieht gut aus. ck

Ausstellung namens „repeat ... while“ bis zum 2. September in der Galerie im Park, Zentralkrankenhaus Bremen-Ost, Züricher Straße 40. Eröffnung: heute, Samstag, 18 Uhr. Öffnungszeiten mittwochs bis sonntags von 15 bis 18 Uhr.

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