: „Die Bergwelt ist anarchisch schön“
Birgit und Harald Antes haben auf Bergen begriffen, was es so nicht vom Sofa aus per Fernbedienung gibt
Die Antes haben ihre Leidenschaft, das Bergsteigen, zum Beruf gemacht. Während er bis vor wenigen Tagen ihre Brötchen auch noch im Postamt im heimatlichen Haus verdiente, füllt Birgit die gemeinsame Haushalts- und Reisekasse als freie feste Mitarbeiterin des Szenemagazins „Alpin“ und Autorin u. a. für die „Süddeutsche Zeitung“.
taz: Birgit, Harald, ihr seid seit 30 Jahren verheiratet und habt keinen Berg ausgelassen, der euch in die Quere gekommen ist. Ihr habt euch wohl auf einem Gipfel kennen gelernt?
Birgit und Harald Antes: Oh, nein, in einem Postamt – im Saarland, wo wir geboren sind.
Andere Paare gründen eine Familie oder kommen ohne Kinder auf den Hund, wie seid ihr auf die Berge gekommen?
Harald fand Berge immer faszinierend. Ich 68erin fand, als ich ihn kennen lernte, Sport und Schwitzen total spießig. Unsere Eltern wollten die Beziehung nicht akzeptieren. Wir haben trotzigst geheiratet, wurden enterbt und sind so weit wie möglich von allen Eltern weggezogen. An den Tegernsee. Und eines Tages – da gab’s ein Schlüsselerlebnis – fand ich Berge und die Natur um sie rum anarchisch schön. Das mit den Kindern haben wir dann durch dauerndes Unterwegssein übersehen.
Gebt ihr den Bergen, die ihr besteigt, manchmal Namen?
Allerdings. Vor allem denen, die uns ärgern. An einem mussten wir dreimal wegen Gewitter kurz vor dem Gipfel umkehren. Das ist der Schäbige Steinesel, dessen richtiger Name nicht mehr ausgesprochen wird.
Seit wann sind denn Berge und Reisen nicht nur eure Leidenschaft, sondern auch Lebensunterhalt geworden?
Seit etwa 1983. Wir hatten uns geärgert über die Vermarktung und Zerstörung „unserer“ Bergwelt und uns in Umweltschutzgruppen engagiert. Ein Mitstreiter war Redakteur bei der Bergwelt und vermittelte uns an seine Konkurrenz Alpin. Er konnte nicht für beide schreiben. Der Chefredakteur von Alpin mochte freche Texte. Und so sind wir in die alpine Schreiberszene reingerutscht.
Birgit, du schreibst, Harald, du fotografierst. Hattet ihr von Anfang an diese Arbeitsteilung?
Ja. Sonst würden wir noch öfter aneinander geraten. Ich finde seine Fotos oft langweilig, er die Texte zu ironisch.
Liebe soll ja Berge versetzen, das Reisen auch?
Ja, unbedingt. Das, was wir auf Bergen oder Reisen erlebt und begriffen haben, gibt’s nicht vom Sofa per Fernbedienung. Und nur das, was im Kopf ist, bleibt uns wirklich.
Geht ihr eigentlich auch mal an den Strand?
Nicht zu lange, dann wird’s langweilig. Einmal, auf der Rückreise nach zwei Monaten in Tibet, sind wir für eine Woche in Goa geblieben. Das war wie eingesperrt sein. Und Wasser haben wir ja auch im Tegernsee.
INTERVIEW: PETRA WELZEL
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