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Abwärtstrend in Brasilien

Argentinienkrise zieht Brasilien in Mitleidenschaft. Auch die negative Zahlungsbilanz und Strommangel schrecken ausländische Investoren ab. IWF-Kredit soll helfen

SÃO PAULO taz ■ Seit dem Beginn der jüngsten argentinischen Wirtschaftskrise gleicht der Kursverlauf der brasilianischen Währung einer Fieberkurve mit Tendenz nach oben: Anfang März war der Dollar gut 2 Real wert, am 13. Juli, als sich die Gerüchte über ein Schuldenmoratorium Argentiniens verdichteten, wurde der bisherige Spitzenwert von 2,59 Real erreicht.

Zwar preist die Regierung den Real zu Recht als das „Ende von vier Jahrzehnten Inflationskultur“ an, doch hat sich trotz einer rigiden Sparpolitik die Staatsverschuldung fast verzehnfacht – auf derzeit 580 Milliarden Real (rund 520 Milliarden Mark). Grund dafür sind die hohen Zinsen, durch die ausländisches Kapital angelockt werden sollte. Im Zuge der Argentinienkrise wird dies immer schwieriger. Die Handelsbeziehungen zwischen den beiden großen Mercosur-Partnern sind enger denn je, und die derzeitige Ungewissheit über ein argentinisches Moratorium oder eine Abwertung des Pesos erschweren auch die kurzfristigen Prognosen für Brasilien. Die Rückzahlungen der Auslandsschulden mit Zinsen und Zinseszinsen sind auch dafür verantwortlich, dass die brasilianische Zahlungsbilanz negativ bleibt – mit über 2 Milliarden Dollar monatlich. Dadurch steigt die Dollarnachfrage, was den Real zusätzlich unter Druck setzt. Wenig erfolgreich hat die Zentralbank versucht, den Real durch den Verkauf von Dollarreserven zu stützen.

Zusätzlich gedämpft wird die Konjunktur durch die Energiekrise. Privathaushalte, Industriebetriebe und Gemeindeverwaltungen sind angehalten, bis zu 35 Prozent ihres Energieverbrauchs einzusparen. Das schreckt ausländische Investoren ab: Im ersten Halbjahr 2001 sanken die Auslandsinvestionen im Produktionsbereich im Vergleich zum Vorjahr um 26,3 Prozent.

Den Ausweg aus der finanziellen Zwickmühle sucht Brasília in bewährter Manier beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Der IWF-Kredit über 41,5 Milliarden Dollar aus dem Jahr 1998 ist fast aufgebraucht. Brasiliens Präsident Cardoso wünscht nun eine neue Finanzspritze von 20 Milliarden Dollar. Die USA befürworten ein weiteres IWF-Darlehen, denn Brasilien sei „erfolgreich“ mit den bisherigen Geldern umgegangen. Da nicht mit einer raschen Zusage gerechnet wird, dürften dies vor allem Signale sein, um das Übergreifen der Krise auf Argentinien und die Türkei zu vermeiden und die Finanzmärkte zu beruhigen.

Der Abgeordnete der oppositionellen Arbeiterpartei PT, Aliozio Mercadante, macht dagegen gerade den neoliberalen Wirtschaftskurs des Finanzministers Pedro Malan für die Krise in Brasilien verantwortlich. Durch Hochzinspolitik und Verschuldung sei die „Funktions- und Regulierungsfähigkeit des Staates ausgelöscht“ worden. Mercadante plädiert für eine Abkehr vom vorherrschenden „ökonomischen Modell“, auch habe dies bereits zu „schwerwiegenden strukturellen Hindernissen“ geführt. Der Soziologe Emir Sader favorisiert eine „souveräne Außenpolitik“ mit Schwerpunkt auf einer Integration mit den Nachbarn, jedoch außerhalb der geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone FTAA. Daneben müssten mit anderen Ländern des Südens und mit Europa „diversifizierte Allianzen“ geschlossen werden. GERHARD DILGER

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