: Mit Salamitaktik zu Gebühren
Das heilige hochschulpolitische Ziel von Rot-Grün lautete: Wir werden Studiengebühren verbieten. Die Geschichte der scheibchenweisen Mutation eines Verbots zur Erlaubnis
Noch bevor Rot-Grün an der Regierung war, trommelte die damalige bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Edelgard Bulmahn: Wählt uns! Wir werden Studiengebühren verbieten! Dabei wurde gar nicht zwischen verschiedenen Gebührenarten differenziert. Bezahlen fanden SPD und auch die Grünen grundsätzlich falsch. Das Gebührenverbot erwies sich aber als schwierig. Denn die Länder haben mitzureden, möglicherweise gehört es gar zu ihrer originären Gesetzgebungskompetenz.
Erstes Scheibchen: Wenigstens für ein paar Jahre müsse Schluss sein mit der Gebührendiskussion. So lautete ein gutes Jahr später die Rückzugslinie. Bildungsministerin Bulmahn strebte jetzt nur noch ein Moratorium an: Für einige Jahre sollten Studiengebühren verboten werden. Auch dafür gab’s keine Mehrheiten.
Zweites Scheibchen: Wenigstens das Erststudium muss gebührenfrei bleiben, hieß es dann plötzlich. Geld dürften die Unis nur bei Zweistudien verlangen. Beschlüsse gab es keine – außer dass Bayern und Sachsen Gebühren für Zweitstudien einführten.
Drittes Scheibchen: Wenigstens ein Teil des Erststudiums muss gebührenfrei bleiben. Das ist die neue Position der Bundesbildungsministerin – ein grundsätzlicher Meinungsumschwung. Nach der Regelstudienzeit sollen noch weitere vier Semester gebührenfrei bleiben, dann dürfe kassiert werden. Auch das will Bulmahn gerne in ein Gesetz schreiben. Und auch dafür wird sie keine Mehrheit unter den Ministerpräsidenten bekommen. Ein solches Detail ist denen zu unwichtig, als dass sie deswegen Streit begännen.
Viertes und fünftes Scheibchen: Die CDU im Land Berlin schlägt vor, Studiengebühren nur im Grundstudium zu erheben. Im Hauptstudium sollten sie ausgesetzt werden – damit die Leute sich aufs Examen konzentrieren können. Niedersachsens Thomas Oppermann sagt: Studiengebühren ja – aber nicht für alle.
Sechstes Scheibchen: Früher oder später wird man die gesetzliche Regelung Baden-Württembergs zum Muster erklären. Im dortigen Gesetz heißt es: Studieren kostet prinzipiell Geld. Ausnahmsweise bleiben aber die Regelstudienzeit plus vier Semester gebührenfrei. Der „Vorteil“: Die Länder können echte Gebühren dann durch kleine Gesetzesnovellen einführen. CIF
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