: Verwitterungen gewittert
Die CDU möchte, dass die Kunstwerke im öffentlichen Raum endlich wieder ordentlicher werden. Vor allem die Kriegerdenkmale ■ Von Hajo Schiff
Stadtgrün, hinter dem eine Statue kaum zu ahnen ist, grässlich leere Bierdosen auf hehren Denkmalsstufen, glänzende Aluminiumformen hinter störenden Baustellengittern und natürlich viele wilde Graffiti auf allen Arten von Skulpturen zeigen die Fotos, die gestern Mittag im Rathaus präsentiert wurden. Bürgerschaftsmitglied Jürgen Klimke legte sie auf einer Pressekonferenz vor, auf der die CDU die Kulturbehörde anklagte: „verwittert, vernachlässigt und vergessen“ seien die Kunstwerke im öffentlichen Raum. Etwa tausend Stück Kunst gibt es in Hamburg, einhundert davon habe man sich besehen: 74 seien nicht oder nicht sichtbar beschildert, 70 seien beschädigt und – oh Schreck – 25 überhaupt gar nicht auffindbar. Letzteres ist verblüffend, könnte aber auch da-ran liegen, dass eine komplette Erfassung dieses Bestandes etwa ein Vierteljahrhundert alt ist.
Überhaupt ist ja der Staat nicht für alles zuständig, was da so zu sehen ist: Viele Brunnenfiguren und andere Niedlichkeiten gehören den Wohnungsbaugesellschaften und privaten Investoren – und die räumen schon mal ab. Fehlende Schilder und mangelnde Sauberkeit sind natürlich nicht zu leugnen, aber die angemahnte dauernde Pflege kostet viel Geld. Und vielleicht ist es auch ganz gut, wenn nackte Heroen von 1937 gnädig Verwitterungsspuren zeigen und die in den fünfziger Jahren massenhaft produzierten Tierbildnisse von Grün bedeckt werden. Und es ist in der Tat eine politische Entscheidung, Geld eher für neue Projekte auszugeben als für bewachte Kriegermale.
Denn die Sorge um das ältere Kulturgut hat noch eine andere Stoßrichtung: Eine vernichtende Kritik an neuen übergeordneten Kunstprojekten wie „Außendienst“ und dessen Engagement für Internetarbeiten und anderen Medienreflexionen wie Bogomir Eckers Videokameraskulpturen bei der geheimen Einfahrt des Staatsschutzes. Trotz mancher interessanter Anregungen in ihrem 10-Punkte-Programm scheint der Vorstoß der CDU dann doch ein wenig wahlkampfbewegt. Müsste man sonst populistisch die gezielt teilgruppenspezifischen Arbeiten des Projekts „Außendienst“ als nicht allgemeinverständlich kritisieren und in einem Atemzug zugleich mehr Phantasie und mehr deutsche Ordnung fordern?
Auf Nachfrage erklärte die Kulturbehörde, eine Gesamtkartographie aller Kunstwerke im öffentlichen Raum sei in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Bildende Künste in Arbeit, die Beschilderung werde kontinuierlich ausgebaut und Abschlussbericht und Katalog des durchaus erfolgreichen Programms „Außendienst“ kämen Ende des Jahres. Aber dann ist die Wahl ja schon vorbei.
Übrigens: Das erste Foto im CDU-Handout vernachlässigter Kunstwerke im öffentlichen Raum zeigte gerade ein Kriegerdenkmal. Wer also keinen neumodischen Kram will, sondern saubere Krie-gerdenkmale, die von Schulklassen gepflegt und verehrt werden, weiß jetzt, was er wählen muss.
Lektüreempfehlung: Von erhaltenen Resten von Barockskulptur bis zu neueren, temporären Projekten wird das Thema abgehandelt in dem Buch: Volker Plagemann (Hrsg.): Kunst im öffentlichen Raum. Ein Führer durch die Stadt Hamburg, 280 Seiten, Junius Verlag, 1997
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen