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Emotionsarmer Monsterflop

Die endgültige Verschmelzung von Biowissenschaftskapitalismus mit Indiana-Jones-artigem Freibeutertum: Im dritten Teil des Spielberg’schen Dinosaurierspektakels „Jurassic Park“ stolpern die Charaktere gelangweilt durch den Dschungel wie durch einen kalkulierten Geschicklichkeitsparcours

von HARLD FRICKE

Allmählich kommt man mit den Namen durcheinander. Microceratops, Spinosaurus, Stegosaurus, Pteranodon, dazu noch diverse Raptoren und immer wieder T. Rex, T. Rex. Die Tierwelt ist noch unübersichtlicher geworden, das Personal in Jurassic Park III aber hat sich sehr gelichtet: Jeff Goldblum als ironischer Chaostheoretiker Ian Malcolm ist nicht mehr dabei, und auch Julianne Moore hat zur Zeit wohl bessere Angebote, als in der Rolle der nassforschen Verhaltensbiologin Sarah Harding noch einmal Baby-Tyrannosaurusknochen schienen zu müssen. Laura Dern wiederum hat als Zoologin Ellie Sattler im zweiten Teil aussetzen müssen und nun eine entwürdigend Nebenrolle bekommen, in der sie für ihre Familie kochen darf; und Sam Neill ist noch mal der Paläontologe Alan Grant, der die Welt rettet, bevor Flugechsen über Los Angeles herfallen.

Niemand weiß, warum es funktioniert. Trotz mäßiger Kritiken, trotz des Emmerich-Godzilla-Monsterflops zwischendurch hat auch der dritte Teil von Jurassic Park an seinem Eröffnungswochenende in den USA noch über 100 Millionen Mark eingespielt – das sind immerhin 10 Millionen mehr als die allseits beliebte digitale Zeichentrick-Fantasy „Shrek“. Mag sein, dass die Sciencefiction von klonbaren Urzeitviechern weiterhin das Kind in Weltwichtigkeitsmännern wie Bill Joy oder Frank Schirrmacher und Co. anspricht. Für das Kino sind die Möglichkeiten jedoch erschöpft: kaum neue Tierarten, wenig spannende Special Effects und eine komplett abseitige Story.

Die Idee jedenfalls, einen Jungen im Urlaub zum Fallschirmspringen in die verbotene Zone vor der Küste von Costa Rica zu schicken, damit er dort Survival-Training unter Großreptilien machen kann, ist nicht bloß vom Elternstandpunkt aus betrachtet ziemlich fragwürdig. Und die Tatsache, dass der Starpaläontologe Grant mit einer ungedeckten Dollarspende auf die Saurierinsel gelockt werden kann, um das vermisste Kind zu finden, darf man getrost unter Forschungsgeldschwindel ablegen. Offenbar hat Steven Spielberg als ausführender Produzent nach einer endgültigen Verschmelzung von Biowissenschaftskapitalismus mit Indiana-Jones-artigem Freibeutertum gesucht – und Joe Johnston („Jumanji“) hat diese Vision nach einem rohbauartigen Drehbuch bedenkenlos runtergefilmt.

Das Grauen geht so: Mal nähert sich ein Tyrannosaurus Rex dem Privatjet, mit dem das Rettungsteam auf der Insel gelandet ist. Dann wird das Flugzeug von ihm wie eine Konservendose zerpflückt, bis ein essbares Stück Mensch herausfällt. Das ist schön anzusehen, das zeugt von ehrfürchtigem Staunen vor der tierischen Intelligenz. Danach verschwindet die Echse jedoch völlig unvermittelt – und die Überlebenden streiten sich, wer jetzt was warum falsch gemacht hat. Plötzlich geht es nicht mehr um den drohenden Tod, sondern um Scheidungstrauma, Kind-Eltern-Therapien und um Väter, die zur Vorsicht und Pedanterie neigen. Der verschwundene Sohn kriecht derweil urschreimäßig durch den Wald und sammelt Saurierpisse, um damit sein Revier abstecken zu können.

In diesem Zwiespalt zwischen urbaner Verzagtheit und neuer Bewährungsfreude mag sich zwar ein Problem der US-amerikanischen weißen Kleinfamilie spiegeln. Trotzdem fragt man sich, warum hier überhaupt keiner der Beteiligten vor den haushoch gewachsenen Bestien Angst hat.

Beim „weißen Hai“ wurde zumindest noch wild mit den Armen gerudert, bevor Blut floss. Hier aber irrt das Völkchen relativ emotionsarm durch den Dschungel, als wäre es auf einer cool abzuwickelnden Mission bei Jerry Bruckheimer. Die Eltern entdecken ihren Beschützerinstinkt, Nachwuchsforscher müssen geopfert werden, Pteranodons fliegen das Lebendfutter ins Nest ihrer Jungen – all das reiht sich aneinander, ohne dass die Personen in der Not tatsächlich Charakter entwickeln würden. Sie handeln lediglich nach Plan, vorhersehbar und ohne innere Konflikte. Alle sind Helden, wenn es die Handlung vorantreibt. Dieser Mangel an schauspielerischer Spannkraft macht Jurassic Park III zu einem gut kalkulierten Geschicklichkeitsparcours, den man sich demnächst sicher auf die Playstation 2 runterladen kann.

Als es am Ende wirklich eng wird, weil sich herausstellt, dass eine bestimmte Echsenspezies sogar über Kommunikation und Gruppensinn beim Jagen verfügt, schaltet sich prompt das Militär ein. Die letzten Minuten des Films schaut man einem Landemanöver der US-Army zu und wundert sich. Aber nicht etwa, weil die Rettung der Restcrew als flaches Happyend angefügt wurde. Sondern weil die Vorstellung von Sturmtruppen eher in die Kalte-Krieg-Logik der Fifties passt, als nuklear verseuchte Ameisen mit Bazookas bekämpft wurden. Das ist nicht einmal mehr Trash, das ist unverblümter Patriotismus, ein schauerliches Abbild der Bush-Politik mit ihrem Star-Wars-Gehabe.

Bei Spielberg war die Lost World im Jurassic Park bislang ein komplexes Zusammenspiel aus romantischem Schöpfermythos und Themenpark-Ironie. Jetzt gibt es nur noch einfache Lösungen für ein einfach gestricktes Amerika: Nuke ’em all! Offenbar ist diese Einstellung ebenso unzerstörbar wie die Lust am Dinosaurier.

„Jurassic Park III“. Regie: Joe Johnston. Mit: Sam Neill, Laura Dern, Tea Leoni u. a., USA 2001, 92 Min.

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