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Der Mut der Maden

■ Manchmal stecken im Sommer mittelschweren Abenteuer: Wenn die Maden kommen. Ein Erfahrungsbericht, bei dem der Autor ausnahmsweise selbst eine tragende Rolle hat

Ja, der Sommer ist meistens schön. Manchmal aber auch nicht, wie neulich, als einer unserer delirierenden Nachbarn aus dem Nebenhaus seinem Nachbarn die Tür zerhackte, nachts um halb eins, weil der Unselige ihm Katzenfutter anstelle von Mockturtelsuppe vom Aldi mitgebracht hatte. Doch dieses kleine, laute, irgendwie ganz normale Osterfeuerberger Mittsommernachtsdrama ist nichts im Vergleich zu den Ereignissen, die sich in den letzten Tagen direkt vor unserer Haustür abgespielt haben.

Alles begann damit, dass die Lebensgefährtin des Autors bereits vor einigen Wochen andeutete, dass es gerade sommers Sinn machen würde, sich mehr um die Biotonnenhygiene zu kümmern. Gehört, vergessen. Am Mittwoch jedoch, in aller Morgenfrühe, meldete sich Nachbarin F., telefonisch, vermutlich mit vom Ekel umflorter Stimme: Die Maden sind da!

Das Problem ist nämlich, dass F.s Wohnung eine Souterrainwohnung ist und ungefähr einen Meter unter Biotonnenniveau liegt. Und die Maden, nicht ungesellig, hatten sich entschieden, F. zu besuchen: Flugs den Tonnendeckel aufgestemmt, sich fallengelassen, die Ritze an der Vorgartenmauer langgekrabbelt, nach rechts zur Treppeneinfassungsmauerritze eingebogen, gegen die Hauswand geprallt, noch einmal gesammelt – und mutig gesprungen. Die Reise endete direkt vor der Haustüre. Und, das muss man zugeben, der Teilnehmer waren viele. Sehr viele. Eine ganze Armee zylindrischer, weißer, geriffelter Krabbelviecher mit einer spitzen Nase, die vermutlich das Schwänzchen ist.

Der zur Liquidierung abgestellte Autor, als Angler den Umgang mit Ködertieren jeder Art gewohnt, sah sich vor schwerwiegende Entscheidungen gestellt. Einfach wegsaugen? Wegfegen? Einzeln auflesen? Überhaupt: Es kam ja immer neuer Nachschub. Lohnte sich das Einschreiten? Oder sollte man den Maden nicht einfach ihren Lauf lassen, bis ein Witterungsumschwung die Bevölkerungsexplosion stoppen würde. Schließlich tun die Tierchen in der Tonne ein gutes Werk.

Das Ergebnis war so etwas wie ein Beziehungskrach am Abend, weil der madentolerante Feger („Egoist!“) nur die Vorhut entfernt hatte. Um Sie, den verständnisvollen Leser, die mitfühlende Leserin, nicht länger auf die Folter zu spannen: Am nächsten Morgen hat der Madenbeauftragte schuldbewusst mit einer alten Zinkgabel Fliegenkind für Fliegenkind aus den Ritzen gekratzt. Und gefegt. Und die Biotonne begutachtet. Schön war das nicht. Tags darauf hat Nachbarin F., in Sorge vor einem eventuell doch noch bevorstehenden Flugangriff auf ihre Lebensmittelvorräte, dann kochendes Wasser über das gesamte Areal gegossen. Fahle, nach Ammoniak riechende Madenleichen auf Waschbetonplatten waren die bisher letzte Einstellung des Dramas.

Doch es bleiben Fragen: Wo waren die Vogelschwärme, die das Problem quasi auf natürlichem Wege gelöst hätten? Und: Hat sich der Madenmörder wider Willen möglicherweise ein Geschäft durch die Lappen gehen lassen? Immerhin kostet eine kleine Madenportion im Angelgeschäft 2,50 Mark oder mehr. Und zuletzt: Haben Maden eigentlich Augen, die sie sehen ließen, was ihnen geschah? Über informative Zuschriften und Erlebnisberichte freut sich :

Milko Haase

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