: Schilys Entwurf will nicht erfreuen
Der Gesetzentwurf zur Zuwanderung ist innerhalb der Bündnisgrünen umstritten. Während der Innenpolitiker Cem Özdemir ihn zurückhaltend beurteilt, ist Volker Beck ernüchtert. Das Gesetz sei nur ein erster Schritt. Einen Konflikt will aber auch er nicht
Von LUKAS WALLRAFF
Die Grünen tun sich weiter schwer mit dem Gesetzentwurf zur Einwanderung, den Innenminister Otto Schily (SPD) am Freitag vorgelegt hat. Freudig zustimmen können sie nicht, weil Schily einige grüne Forderungen ignorierte – vor allem beim Familiennachzug und in der Asylpolitik. Als Blockierer und Bremser wollen die Grünen aber auf keinen Fall erscheinen. Dafür ist auch ihnen der Konsens für ein Einwanderungsgesetz noch vor der Bundestagswahl zu wichtig.
Claudia Roth gab die Richtung vor. Die grüne Parteichefin meldete vorsichtig „Nachbesserungsbedarf“ an, versprach aber gleichzeitig, weiter „konstruktiv mitzuarbeiten“. Der Innenminister hatte die grünen Proteste gegen Verschärfungen beim Asylrecht als unbegründet zurückgewiesen und gesagt: „Manchmal denke ich, da gibt es so was wie eine Pawlow’sche Reaktion.“ Das SPD-Präsidium unterstützte gestern Schilys Gesetzentwurf, weil er „konsensfähig“ sei. Die Union hat sich noch nicht festgelegt. CDU-Zuwanderungsexperte Peter Müller signalisierte Kompromissbereitschaft, die Hardliner Edmund Stoiber (CSU) und Roland Koch (CDU) bremsen.
Die Grünen müssen sich jetzt entscheiden, ob sie noch dazwischenfunken wollen oder ob sie einfach zuschauen, wie sich SPD und Union aufeinander zu bewegen. Cem Özdemir hat sich offenbar für Letzteres entschieden. Der innenpolitische Sprecher der Grünen kommentierte Schilys Gesetzentwurf mit der Gelassenheit eines neutralen Beobachters: „Die Kröten sind nach rechts und links gut verteilt. Guten Appetit allerseits!“
Doch nicht allen Parteifreunden Özdemirs scheint das Schily-Konzept so gut zu schmecken. So bemängelt der grüne Rechtspolitiker Volker Beck, dass der Entwurf des Ministers die Bevölkerungsentwicklung nicht berücksichtige. Schily will vorerst nur die Zuwanderung von Hochqualifizierten ermöglichen. Bei der Präsentation seines Gesetzentwurfs sagte Schily: „Zu glauben, dass eine demografische Lücke durch Zuwanderung ausgeglichen werden kann, ist falsch.“
Volker Beck lässt sich davon nicht berirren: „Dass wir in Deutschland Ausländer zur Sicherung unserer Altersvorsorge brauchen“, sei ein zentraler Punkt. „Es hat aber keinen Sinn, an diesem Punkt einen Streit mit der SPD anzufangen“, sagte Beck der taz. Die Grünen sollten lieber deutlich machen: „Das ist jetzt nicht der große Wurf.“ Ein Einwanderungsgesetz wäre ein erster positiver Schritt, „man sollte bloß nicht sagen: Das war’s.“ Wenn das Gesetz etwa keine Zuwanderung aus demografischen Gründen ermögliche, „dann heißt das Wiedervorlage in der nächsten Legislaturperiode“.
Bis dahin, so Beck, sollten sich die Grünen auf das Machbare konzentrieren. In Schilys Entwurf gebe es „einige Punkte, über die wir noch mal reden müssen“: die Überprüfung von anerkannten Asylbewerbern nach drei Jahren, die Absenkung des Familiennachzugalters auf 12 Jahre und die Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz. Konkrete Bedingungen will Beck aber nicht stellen, denn das würde die Atmosphäre vor den anstehenden Verhandlungen „unnötig vergiften“.
Während sich die Grünen um ein gutes Klima sorgen, setzt Schily die Einwanderungsdiskussion auf seine Weise fort: „Die beste Form der Integration ist Assimilierung“, behauptete Schily im Tagesspiegel und wärmte damit die „Leitkultur“-Debatte vom vergangenen Jahr auf. „Eine solche Aussage hat politisch keine Konsequenzen“, glaubt Beck, „ich wüsste auch gar nicht, woran sich Einwanderer assimilieren sollen, außer dass sie Deutsch lernen und sich an die Gesetze halten, aber das ist eine Selbstverständlichkeit.“
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