piwik no script img

Hamster, tanzende Riesen und der Tod

■ Moderne Kinderlieder zum Grübeln und zum Tanzen: Auch Fredrik Vahles neues Album „Tiger Oma Samurai“ wird Manchen zu dusseligen Kommentaren anregen

Wer moderne Kinderlieder hört, der kommt an Fredrik Vahle kaum vorbei. Er ist neben Rolf Zukowski der Altmeister des Genres. Doch anders als dieser, der mit viel Background und Chor eher die süßliche Abteilung bedient, setzt Vahle bisher vorwiegend pur auf die eigene Stimme und seine Gitarre. Er schuf Hits in Serie, etwa „Anne Kaffeekanne“ oder den „Katzentanztanz“.

Bis heute dokumentiert der Alt-68er aber auch einen fortgesetzten Hang zu Neuem und zum Experiment. Dabei kann es schon mal passieren, dass er – ansonsten Professor für Linguistik – bei einem Konzert mit mehreren Hundert Kindern diese auffordert, doch mal anzuhören, wie eine Minute Stille klingt – und tatsächlich schweigen alle –, um anschließend mit den Kindern etwas Tai-Chi zu praktizieren. Was wiederum einige Väter gar nicht ertragen und mit dusseligen Kommentaren begleiten.

Fredrik Vahle fühlt sich ernsthaft dem körperlichen und geistigen Wohl von Kindern verpflichtet und das auch mal an den Eltern vorbei. Seine neue, in Hamburg produzierte, Platte Tiger Oma Samurai zeugt davon. Im Titel „Meine Katze“ etwa widmet er sich dem Tabu-Thema Tod. „Meine Katze ist gestorben, gestern lebte sie doch noch. Und jetzt kullern meine Tränen, ich bin traurig noch und noch.“ Trauer, wird bei ihm klar, gehört zum Tod, die sollte man ruhig ausleben. Mit dem Tod umzugehen will gelernt sein – ein ungewöhnliches Kinderlied-Thema.

Lieblingsthema von Vahle ist aber stets „Bewegung“. Und auch dazu animiert er in seinen Liedern immer wieder. In „Der Riese will nicht tanzen“ schwingen ein Hams-ter, 13 Mücken, ein Zwerg, ein Riese und eine Tante bis tief in die Nacht ihre Tanzbeine. Auch „Guck, der kleine König kommt“ fährt einem sofort in die Glieder: „Rauf und runter, das macht müde Füße munter.“ Oder der Rhythmus der „Räuberballade“. Hier können sich die vier turkmenischen Background-Musiker der Gruppe Ash-khabad besonders gut einbringen. Sie entfalten ein bezauberndes, mitreißendes Klangpanorama mit okzidentalen Zitaten auf Akkordeon, Klarinette, Saxophon, Violine, allerlei Percussiongerät und mehr. Oder bieten schräge Klänge à la Kurt Weill zu Vahls Sprechgesang im Titelsong, dem Ohrwurm „Tiger Oma Samurai“.

Aber noch andere Musiker sind mit von der Partie: Bernd von Ostrowski spielt Bass und Adax Dörsam Gitarre. Außerdem singen Dietlind Grab und der Hamburger Cantilene Kinderchor bei einigen der 13 Lieder mit. Das sind dann eher die besinnlichen, die sich auf Schmusekurs als Gute-Nacht-Musik eignen – wie „Dieser Tag geht fort“ – oder dabei noch ein wenig zum Grübeln einladen wie in „Ciao, es war schön“: „Jeder Anfang ist ein Ende von der Zeit die vorher war. Und am Ende ist der Anfang von etwas ganz Neuem da.“

Oliver Toerner

Fredrik Vahle, Tiger Oma Samurai, Patmos Verlag, CD 24,95 Mark, MC 17,95 Mark

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen