„Wir machen es eben anders“

Guter Dinge: Gudrun Gut über ihre unabhängige Plattenfirma, kapitalistischen Vergrößerungswahn und den Umzug vieler großer Firmen nach Berlin

taz: Frau Gut, die große Musikindustrie jammert. Wie geht es Ihrem Label?

Gudrun Gut: Ich habe davon nichts gemerkt. Monika hat sich gerade in der letzten Zeit etabliert. Die Leute kennen langsam die Marke, es hat sich ein Fankreis gebildet. Ich kann mir keine große Promotion leisten, aber da meine Gruppen einfach alle gut sind, wirkt die Mund-zu-Mund-Propaganda.

Sie haben schon bei einzelnen Platten mit großen Plattenfirmen zusammengearbeitet. Haben Sie keine Angst um ihre Unabhängigkeit?

Nein. Ich würde zum Beispiel nie eine frische Band sofort weiterverkaufen. Die Aufgabe der Independents ist es, die Künstler gerade am Anfang zu betreuen, damit sie lernen, selbst Entscheidungen zu fällen.

Viele unabhängige Plattenfirmen in Berlin wurden in letzter Zeit von Großen geschluckt, darunter City Slang und Bungalow. Würden Sie sich dagegen sträuben, wenn Sie ein Kaufangebot für ihr Label bekämen?

Ich finde es nicht schlimm, etwas zu verkaufen. Man müsste sich das Angebot sehr genau angucken. Ganz gekauft zu werden, das liegt aber überhaupt nicht an. Im Augenblick picken sich die Majors eher die Hits raus. Das können die auch besser.

Es geht also nicht nur um den hehren Indiegedanken, sondern auch ums liebe Geld?

In den ersten zwei Jahren habe ich Monika wie ein Hobby betrieben. Erst jetzt trägt sich das Label. Trotzdem verfalle ich nicht dem kapitalistischen Vergrößerungswahn. Die Verkäufe sollten wachsen, mehr herausbringen will ich aber nicht. Ich würde es gern im Rahmen von drei, vier Alben jährlich halten. Geld ist aber natürlich nicht unwichtig.

Auch im Interesse der Bands?

Das Ziel ist, dass die Künstler davon Leben können. Das ist aber am Anfang unheimlich schwierig. Deshalb kann ich den Quarks auch nicht böse sein, dass sie zu einem größeren Label gehen.

Sind Sie nicht enttäuscht?

Nein. Ich will meine Bands nicht mein ganzes Leben lang mit mir rumtragen. Ich wollte nicht das Quarks-Label werden.

Und was halten Sie vom Berlin-Hype, dass immer mehr Musikindustrie, nach Sony jetzt auch noch Universal, nach Berlin zieht?

Ich finde es komisch, was aus meiner alten Mauerstadt wird, wo nichts an Industrie war, keine Wirtschaft, wo man keinen Mann mit Anzug und Krawatte sah, wo aber der kreative Output trotzdem immer gut war.

Und haben Sie Angst vor Konkurrenz, vor Trendscouts?

Nein. Es gibt so viele Künstler. Ich kriege viel zu viele Demotapes. Ich kann bis nächstes Jahr im August nichts mehr annehmen. Und außerdem: Die großen Firmen sind wie die Post, riesige Unternehmen, bei denen immer alles ewig dauert. Kleine Labels können viel schneller agieren. Eine neue Vinylveröffentlichung kann ich zum Beispiel sofort rausbringen, da brauche ich keine Promo, ab ins Presswerk, zack. Da funktioniert die Marke wie ein Filter, man weiß, was es ist, wenn Monika draufsteht. Wenn Sony draufsteht, kann es alles Mögliche sein.

Werden Sie immer noch nach Ihrer Rolle als Frau im Business befragt?

Als Musikerin eher. Im Business gibt es immer mehr Frauen. Allein in Berlin ist es ziemlich frauenorientiert. Ich weiß zwar ganz genau, dass meine männlichen Kollegen immer noch denken, ich bin blöd, aber gehe da inzwischen so plump drüber weg wie möglich. Wir machen es eben anders. Wir sind wählerischer. Während beim Mann eher der Streueffekt zählt. Das hat vielleicht mit Biologie zu tun.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Wir wollen jetzt die Welt erobern. Die Welt braucht mehr Monika. Mit der Compilation versuchen wir, mehr im Ausland Fuß zu fassen. Der nächste Act bei Monika wird amerikanisch sein: Eine Band namens Figurine. Damit hat wohl keiner gerechnet.

INTERVIEW: SUSANNE MESSMER