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Das Verbot schert die Neonazis nicht

Im bayerischen Wunsiedel wurde ein Neonazi-Aufmarsch zum Heß-Todestag verboten. Die rechte Szene mobilisiert trotzdem. Aktionsmonat geplant. Kampf um die Straße. Bundesamt für Verfassungsschutz warnt

BERLIN taz Die deutsche Neonaziszene ist in diesem Jahr offenbar entschlossen, mit Propagandaktionen zum Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß ihren Sympathisanten mehr rechte Erlebniswelt zu bieten.

Stellvertretend für den harten Kern der militanten „Freien Kameradschaften“ und ihrer norddeutschen Anführer Christian Worch und Thomas Wulff meldete der Hamburger Anwalt Jürgen Rieger für den 18. August im bayerischen Wunsiedel eine „Gedenkkundgebung mit Trauermarsch“ für 1.500 Teilnehmer an. In der 10.000 Einwohner zählenden Festspielstadt im Fichtelgebirge sorgt Heß-Sohn Wolf-Rüdiger für die Pflege von Grab und Mythos seines Vaters. Nach einem Demonstrationsverbot durch das Landratsamt, das durch die Gegendemonstration eines antifaschistischen Bündnisses eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit fürchtet, wird nunmehr mit einem Rechtsstreit gerechnet. Die Neonazis berufen sich auf das Bundesverfassungsgericht, das in jüngster Zeit mehrfach kommunale Demonstrationsverbote für Rechtsextremisten aufhob.

Doch auch für den Fall eines letztinstanzlichen Verbots für Wunsiedel haben die „Freien Kameradschaften“ vorgesorgt: Unter dem scheinbar harmlosen Motto „Meinungsfreiheit statt politische Verfolgung“ mobilisieren sie am Heß-Todestag auch in die Kleinstadt Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern. „Aufmärsche, die nicht unter dem Heß-Motto angemeldet wurden, könnten dafür umfunktioniert werden“, befürchtet das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Der Hitler-Stellvertreter Heß, der 1946 zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wurde und sich 1987 im Alliierten Kriegsverbrechergefängnis von Spandau das Leben nahm, wird in der rechtsextremen Szene zum Märtyrer stilisiert; in unzähligen Internetseiten und Broschüren kursieren Verschwörungstheorien über die Umstände seine Todes. Nachdem die Sicherheitsbehörden bis Mitte der 90er-Jahre den alljährlichen Gedenkaktivitäten der Neonazis wenig Beachtung schenkten und nur durch Mobilisierungen autonomer Antifaschisten aufgeschreckt wurden, sorgten flächendeckende Versammlungsverbote in den letzten Jahren für „Ruhe um Rudolf“, wie das Antifaschistische Infoblatt titelte.

Damit ist es angesichts des offenen Machtkampfes zwischen der NPD und den militanten „Freien Kameradschaften“ in diesem Sommer vorbei. In deren Hochburgen, beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern, wurden schon in mehreren Städten Heß-Plakate gesichtet. Offen kursieren in der Szene für „den Heß-Aktionsmonat“ Aufrufe zum konspirativen Vorgehen. Außerdem sollen Gesinnungsgenossen einen von Wolf-Rüdiger Heß verfassten Text als Anzeige in Kommunalzeitungen inserieren. Experten vom Antifaschistischen Pressearchiv befürchten, dass die „Freien Kameradschaften“ mit den Heß-Aktivitäten den „Kampf um die Straße intensivieren wollen“. Für den 1. September mobilisieren Worch & Co. trotz Verbots nach Leipzig und Greifswald – mit Unterstützung der NPD, die ihren eigenen Aufmarsch in Weimar abgesagt hat. HEIKE KLEFFNER

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