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Mächtige Motorradgang

Morgen beginnt der größte Kiez-Prozess der Geschichte: Sieben „Hells Angels“ wegen Zuhälterei und Menschenhandel angeklagt  ■ Von Elke Spanner

Nach außen hin war ihr Leben eine Show. Lederklamotten, martialische Tätowierungen, breitbeinig auf einer Harley-Davidson präsentiert. Jenseits der öffentlichen Inszenierung aber wickelten sie im Verborgenen ihre Geschäfte ab: Im Rotlicht-Milieu von St. Pauli, so die Überzeugung der Staatsanwaltschaft, hatten die „Hells Angels“ das Sagen. Bis die Polizei dem im November mit einer Großrazzia ein Ende bereitete. Sieben Mitglieder der Rocker-Gang stehen ab morgen vor dem Hamburger Landgericht. Schwerer Menschenhandel, Förderung der Prostitution, Einschleusen von Ausländern, räuberische Erpressung und Körperverletzung lautet die Anklage.

Der Landgerichtskammer steht der größte Kiez-Prozess der Hamburger Geschichte bevor: Das Beweismaterial wiegt 18 Umzugskartons schwer. Über zwei Jahre hinweg sind bereits Termine festgelegt, in denen 469 ZeugInnen vernommen, Protokolle von Telefonüberwachungen verlesen sowie Asservate gesichtet werden. Viele der BelastungszeugInnen stehen unter Polizeischutz. Darunter sind viele Frauen, die für die Hells Angels als Prostituierte arbeiteten – oft unter Zwang: Laut Anklage holte die Bande in den Jahren 1999 und 2000 ausländische Frauen illegal ins Land und ließ sie in Bordellen Geld verdienen.

Die Höllenengel hätten selbst die Arbeitszeiten bestimmt, Preise festgelegt und die Erlöse abkassiert. Die Frauen mussten in Stundenabsteigen, dem „Eros-Center“ und dem Groß-Bordell „Pascha“ ihren Körper verkaufen. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Höllenengel im Jahr über 37 Millionen Mark Umsatz machten. Bisher haben sie Vermögen im Wert von 730.000 Mark beschlagnahmen können.

Von den sieben Angeklagten befinden sich fünf in Untersuchungshaft. Mit auf der Anklagebank sitzt der „Präsident“ der Hells Angels, der 36-jährige Frank H. aus Hannover. Er soll die Machtübernahme auf dem Hamburger Kiez gesteuert haben. Da sei er „als eine Art Unternehmensberater in Aktion getreten“, so Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger. Der ehemalige Boss der Hannoveraner Rocker-Gang „Bones“ gilt auch als derjenige, der die zunächst verfeindeten Banden zusammenführte – und dadurch eine mächtige Vereinigung schuf.

1983 verbot die Innenbehörde den Hamburger Ableger der weltweit organisierten Höllenengel. Dennoch machten auch in der Hansestadt weiterhin Mitglieder von sich reden. 13 Banden-Mitglieder wurden 1986 wegen räuberischer Erpressung und Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. 1999 sollen drei Rocker in einem als Treffpunkt genutzten Bunker auf der Peute eine Frau vergewaltigt haben. Dass die 1948 in Kalifornien gegründeten Hells Angels sich nicht nur zum Motorrad fahren organisieren, war erstmals 1969 in Altamont offenkundig geworden: Da erstachen Hells Angels bei einem Rolling-Stones-Konzert einen Schwarzen.

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