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Rechtecke, gut gefüllt

■ Die Crusoe-Halle/Böttcherstraße zeigt Arbeiten des Fischerhuder Fotografen Klaus Rohmeyer

Fotografieren heißt warten. Um „das Rechteck richtig zu füllen“, hat Klaus Rohmeyer ein Gutteil seines Lebens wartend verbracht, den Finger in Auslösernähe, den Flug von Wolken und Wildgänsen im Auge behaltend oder – wie ein Wegelagerer – auf den Heuwagen lauernd, der doch bald mal über Brettmanns Brücke fahren muss – und das alles hoffentlich noch beim richtigen Licht.

„Landwirte und Fotografen haben am meisten mit dem Wetter zu tun“, sagt der Fischerhuder Fotograf schlicht und meint damit dasselbe, was sein Worpsweder Kollege Hans Saebens etwas bedeutungssschwangerer zu formulieren pflegte: „Das unvergängliche Sein von Licht und Wind, Wasser und Berg stellt den Menschen in der Natur auf seinen bescheidenen Platz. Nichts kann er anderes tun als warten, bis dass die Ordnung sich von selbst ergibt, in der Licht und Tier und Wolke im gewünschten Rhythmus sich begegnen. Dieses Warten und sich Erfüllen einer räumlichen, graphischen Vorstellung, ist der eigentlich zeugende Moment in der Darstellung der Landschaft.“

Rohmeyers Erträge des Wartens auf rhythmisierte Ordnungen sind nun in der Böttcherstraße zu sehen: Die Crusoe-Halle zeigt eine gut besuchte Ausstellung unter dem Titel „Fischerhude: Erinnerungen in schwarzweiß 1955 bis 1970“.

Ohne Glasrahmen und Passepartout hängen sie da, die Geestlandschaften und Erlengruppen, zerbrochene Weiden, Zäune und Fuhrwerke. An einen Breughel erinnert die schlittschuhlaufende Dorfgemeinschaft auf dem „Mühlenstreeek“ – vor allem der Winter hat es Rohmeyer sichtbar angetan: Wenn die ohnenhin karge Landschaft am herbsten ist. „Bei uns gibt es keine romantischen Ruinen und Schlösser“, sagt Rohmeyer, für ihn seien Bäume die interessantesten Architekturen.

Klaus Rohmeyer ist ein Kind der Landschaftsmaler, künstlerisch und genetisch. Sein Vater Wilhelm Heinrich gehörte wie Otto Modersohn zur dörflichen Künstlerkolonie, die auch den jungen Rohmeyer noch geprägt hat. „Die sind hier ganz bescheiden mit ihren Skizzenblocks rumgelaufen, erinnert sich der 73-Jährige. Und er erinnert sich an ein Fischerhude, das „heute nur noch als Schatten existiert – es ist frustierend zu sehen, dass wir durch die Kommerzialisierung auf direktem Weg zu Worpsweder Verhältnissen sind.“

Der gefakte Dorfbrunnen mit Bronzeenten konnte zwar verhindert werden, aber: „die Landschaft hat heute weniger Reiz für mich, sie ist leerer geworden“. Die Wiesen würden schon seit 1960 nicht mehr im großen Stil geflutet, also entstünden auch keine Eislaufparadiese mehr. „Wir hatten immer den Eindruck, dass da die Kunstdüngerindustrie hinter steckt“, sagt Rohmeyer. „Die Flutungen im November brachten nämlich Nährstoffe auf die Wiesen, die dann künstlich ersetzt werden mussten.“ Die Kühe und Rinder dürfen meist nur noch ihre Boxen-Laufställe bevölkern, statt buntgescheckter Feldern mit ihren Fruchtwechseln dominieren Maiswüsten – da blutet (auch) das Fotografenherz.

Rohmeyer sieht die Entwicklungen durchaus realistisch: „Im Dorf ist eine heterogene Gesellschaft entstanden. Die ist zwar anonymer als zuvor, dafür bietet sie aber vielen Menschen Anknüpfungspunkte – zum Beispiel bei der Fischerhuder ,Terre des Hommes'-Gruppe“.

Der Fotograf will beileibe „kein Schloss vors Dorf hängen.“ „Bei meinen Bildern geht es auch nicht darum, die Stimmung von guter alter Zeit verbreiten – da gab es auch jede Menge Schwerstarbeit“. Die kurze Foto-Reportage über das Torfstechen illustriert das eindrücklich.

Rohmeyer ist also kein Mensch der Nostalgie. Wenn das „Geo-Magazin“ von alten Wasserräder schwärmt, die in Fischerhude noch „klappern“ würden, ärgert ihn das genauso wie der „Bild“-Titel vom „ehrlichsten Dorf Deutschlands“. Denn: „Unsere Sparkasse ist ausgeraubt und das Wasserad eine Attrappe von 1989.“

1994 hat Rohmeyer sein letztes Fotobuch herausgebracht, insgesamt waren es 17. Jetzt hängt die Kamera am Nagel, der 72-jährige hat mit Haus und Garten genug zu tun – „aber ich gucke schon noch wehmütig nach den schönen Wolken über dem Dorf.“ Die BremerInnen dürfen dafür nach seinen schönen Fotos gucken.

Henning Bleyl

Rohmeyers Bilder sind noch bis zum 15. September in Crusoe-Kalle in der Böttcherstraße ausgestellt. Öffnungszeiten: Montags bis Freitags von 10 bis 18 Uhr, Samstags von 10 bis 16 Uhr. Von einem großen Teil der Bilder sind Abzüge zu erwerben. Informationen über Fischerhude finden sich im Internet unter www.members.aol.com/fhude

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