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Unternehmen Seifenblase

■ Zum 25. Jubiläum gastiert der „Circus Roncalli“ auf der Bremer Bürgerweide

Dieser Mann ist vermutlich vor einem Vierteljahrhundert zum letzten Mal gealtert. Strahlend und energisch kommt Bernhard Paul zur Tür herein. Der Gründer und Direktor des „Circus Roncalli“ trägt noch immer seinen Schnäuzer und das vom Mittelscheitel herunterwallende Haar. Er ist höchstpersönlich auf Promotionreise und macht Werbung für das nächste Bremen-Gastspiel. „Roncalli“ feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen und baut sein Zelt für das Jubiläumsprogramm Anfang September mitten auf der Bürgerweide auf.

Bernhard Paul hätte das Werbung-Machen eigentlich nicht nötig. Und der Zirkus erst recht nicht. Das zweimonatige Heimspiel in Köln war Pauls Angaben zufolge bis auf den letzten Platz ausverkauft. Bei der derzeitigen Station Hannover zeichnet sich das gleiche ab. Weil der Bremen-Auftritt zwischen der Hauswirtschaftsmesse Hafa und dem Freimarkt eingezwängt ist und über die geplanten vier Wochen hinaus nicht verlängert werden kann, dürften die Karten schnell weg sein. Doch wie beim letzten Mal vor vier Jahren tritt Bernhard Paul nun mal vor jedem seiner Gastspiele selbst auf. Und er sieht so aus, als sei er gerade erst da gewesen.

Ganz am Anfang wäre Pauls Vision beinahe geplatzt. Denn vor einem Vierteljahrhundert machten die klassischen Zirkusunternehmen Neulingen wie ihm noch das Leben schwer. Die Großen der Branche handelten in den meisten Städten Exklusivverträge mit den Liegenschaftsämtern aus. Monate, manchmal sogar ein halbes Jahr vor dem Auftritt der Krones, Althoffs und wie sie alle hießen durfte kein anderer Wanderzirkus sein Zelt in der Stadt aufbauen. Während die Branche damals trotz dieses Protektionismus langsam in die Krise geriet, wollte Bernhard Paul einen nostalgischen, romantischen, ganz anderen Zirkus machen. Zweimal ist er mit dieser Verwirklichung eines Kindheitstraums gescheitert. Zweimal hat der inzwischen 54-Jährige wieder von vorn angefangen. Und danach alles an Anerkennung, Auszeichnungen und Kritiker-Superlativen eingeheimst, was ein Zirkusgründer und -direktor einheimsen kann.

Aus dem Newcomer von 1976 ist mittlerweile ein Großunternehmen geworden. Varietés in Aachen, Berlin, Stuttgart und Düsseldorf stehen unter Pauls künstlerischer Leitung und gehören ganz oder teilweise zur Roncalli-Gruppe. Mit seinen riesigen Sammlungen von Zirkus-Devotionalien, historischen Ladeneinrichtungen und Jahrmarkt-Oldtimern stattet Paul Landesgartenschauen und andere Großveranstaltungen wie den Weihnachtsmarkt in Hamburg aus. Roncalli ist Marke, Zuschauermagnet, Entertainment- und Nostalgie-Konzern. Und trotzdem tritt der Chef noch immer selbst in die Manege und gibt als tolpatschiger Zippo den Clown.

Und ein Clown darf alles. Direkt sein zum Beispiel. „Manchmal sehe ich einen Politiker und denke: Was ist denn das für ein steinalter Sack? Und dann wird mir klar, dass ich selbst mit meinen 54 Jahren schon viel älter bin.“ Wie fünf Jahre sei dieses Vierteljahrhundert Roncalli an ihm vorbeigeflogen. Und doch sind da jahrzehntealte Ansprüche gewachsen. „Es gibt Hardcore-Roncalli-Fans“, sagt Paul, „die danach fragen: Wo sind denn die Seifenblasen?“

Diese Seifenblasen gehören dem französischen Artisten Pic, dessen Name oft in einem Atemzug mit Roncalli genannt wird. Bei der Jubiläumstournee kommen diese „Hardcore-Fans“ wieder auf ihre Kosten, denn Pic ist nach 15 Jahren zum ersten Mal wieder dabei. Ansonsten wollte Bernhard Paul das Problem lösen, „Roncalli zu bleiben und doch etwas Neues zu machen“.

Das nostalgische Bühnenbild ist auch beim siebten Bremen-Gastspiel geblieben, doch hinter den Kulissen hat sich der Zircus in ein Hightech-Unternehmen verwandelt. Eine neue Tontechnik verwandelt laut Paul auch eine simple Ansage in eine Zirkusnummer, und eine 700.000 Mark teure Hydraulik lässt das Podium für die Band mittendrin zusammenbrechen. „Da wurde mir gesagt: Jetzt ist der Paul komplett verrückt geworden.“ Mit einem handgemachten Programm ohne Hydraulik machen der mittlerweile 78-jährige Clown Francesco Caroli, die Frau Direktor Eliana Paul mit ihrer Pferdenummer sowie die neun weiteren ArtistInnen, AkrobatInnen und Clowns „Roncalli.“ ck

Roncalli gastiert vom 8. September bis zum 7. Oktober auf der Bürgerweide. Karten gibt es ab Donnerstag, 16. August, in Bremen exklusiv in der 3. Etage von Karstadt sowie im Umland bei den Qivive-Vorverkaufsstellen und -Reisebüros. Telefonische Reservierung unter Tel.: 0180/522 45 22. Vom 15. bis 23. September können Hafa-BesucherInnen zwischen 11 und 13 Uhr Proben ansehen, außerdem erhalten sie eine Zehn-Prozent-Ermäßigung für die Shows.

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