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„Der werfe den ersten Stein“

Im Polizeipräsidium zeigen die Ordnungskräfte ihre eigene Kunst. Neben rührenden Porträts von Kolleginnen geben verstörende Holz-, Blech- und Ytong-Objekte einen Einblick in den Polizeiapparat

von KIRSTEN KÜPPERS

Der Beruf des Polizisten ist nicht einfach. Als Wächter der staatlichen Ordnung sind die Beamten stets mit der Welt des Bösen konfrontiert. Strafzettel müssen sie verteilen, den Verkehr überwachen, Objekte schützen, Demonstrationen begleiten. Das bedeutet Stress in Nachtschichten und am Wochenende. Bei großen Teilen der Bevölkerung sind die Kollegen dazu noch unbeliebt. Und ein Leben in beigefarbenen Uniformen bedeutet gewiss nicht für jeden Beamten die Erfüllung eines lange gehegten modischen Traums.

Kunst kann in Fällen harter beruflicher Belastung ein seelischer Ausgleich sein. Wie kaum ein anderes Hobby hilft sie angestrengte Nerven beruhigen, den Geist zu entspannen. Das zeigen die schöpferischen Freizeitprodukte von 25 Polizeibeschäftigten aus Niedersachsen. Sie sind derzeit im Berliner Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke zu besichtigen. Die von 16 Berliner Kollegen organisierte Ausstellung „Kunst in der Polizei“ umfasst Ölbilder, Aquarelle, Collagen und Skulpturen.

Ein Rundgang gibt überraschend private Einblicke in den Polizeiapparat. Neben rührenden Porträts von den Kolleginnen („Motorradpolizistin Anja“) und versöhnlichen Sonnenuntergängen in Pastell („Möwe Jonathan“), dominieren verstörende Holz-, Blech- und Ytong-Objekte. Eine geschnitzte Faust ruft: „Der werfe den ersten Stein“. Der Skulptur eines menschlichen Torso rinnt Blut in den Kopf, die Hände sind vor das Gesicht geschlagen. Eine Installation zum Thema Mobbing klagt an: „Passt Dir dieser Schuh?“

Weniger kritisch streifen die Aquarellbilder den Beamtenalltag: einmal ist ein stattliches Polizeiboot zu sehen, auf einem anderen Gemälde feuert ein Polizist kühn Tränengas in ein weißes Nichts. Manche Maler wagen sich mit ihren Exponaten jedoch auch an die intimen Momente des Daseins heran: Neben verschämt Erotischem hängt das Werk „Ende einer Beziehung“, gegenüber das Bildnis eines traurigen Clowns.

„Kunst und Polizei passen zusammen. Ein scheinbarer Gegensatz zwischen extrem realistischem Berufsalltag und Kreativität bei der künstlerischen Gestaltung ergibt ein sehr förderndes Spannungsfeld“, erklären die Initiatoren der Ausstellung ihr Selbstverständnis. Kunst diene als „Ventil“ und ermögliche „Kreativität außerhalb des Denkens in Vorschriften und Schablonen“.

Die Ausstellung tourt derzeit durch Sparkassen, Volksbanken und Stadthallen. Unbequeme Kunst hat oft Feinde. Doch der Segen des Chefs macht in diesem Fall über alle Zweifel erhaben: „Der Niedersächsische Innenminister steht hinter dieser Sache“, heißt es im Pressetext.

„Kunst in der Polizei“, Polizeipräsidium, Platz der Luftbrücke 6, Werktags von 9 bis 18 Uhr, noch bis zum 6. September

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