: „Es gibt Grenzen“
Hans-Peter von Stoephasius, Fachhochschulprofessor für Polizeiordnungsrecht, zu nicht zugelassenen Waffen
taz: Die Polizei hat in der Nacht zum Dienstag erstmals eine Elektroschock-Distanzwaffe eingesetzt. War das rechtmäßig?
Hans-Peter von Stoephasius: Auf den ersten Blick: Nein.
Was ist gegen den Einsatz des so genannten Tasers zu sagen?
Er ist eine Waffe, wird aber im Gesetz über die Ausübung des unmittelbaren Zwangs (UZwG) nicht erwähnt. Damit darf er eigentlich nicht von Polizeibeamten eingesetzt werden.
Die Polizei beruft sich darauf, dass die Waffe momentan im Testbetrieb genutzt werde.
Auch dann hätte es eine rechtliche Grundlage geben müssen.
Hat der Beamte, der die Elektrowaffe eingesetzt hat, damit ein Problem?
Theoretisch schon. Es handelt sich um rechtswidriges Verwaltungshandeln, und das stellt eine Amtspflichtverletzung dar.
Fällt das nicht in den Verantwortungsbereich der Einsatzleitung? Oder ist es jedem Beamten freigestellt, welche Waffen er im Einsatz benutzt?
Nein. Solche Waffen müssen nach dem UZwG dienstlich zugelassen sein und zur Ausrüstung des Beamten gehören.
Kritisiert am Taser wird vor allem, dass sein Gebrauch möglicherweise erhebliche Nebenwirkungen hat. Auch die Polizei gesteht ein, die Wirkung nicht zu kennen. Muss die Verwaltung nicht sicherstellen, dass mögliche Folgen bekannt und untersucht sind?
Da gibt es eine klare Grenze: Wenn man über die Wirkung Bescheid weiß, kann man den Taser einsetzen. Hat man darüber keine Erkenntnisse, muss man andere Testverfahren finden, aber man kann ihn nicht im Dienst einsetzen.
Hätte der Polizeipräsident Sie vorher als Experten befragt, was hätten Sie ihm geraten?
Alle möglichen Arten von Gutachten einzuholen und Versuchsanordnungen auszuprobieren, um das Gerät zu testen. Aber unabhängig vom Dienstbetrieb. Wenn er das für eine wirksame Waffe hält, gibt es auch andere Wege, das zu testen. Es ist ja auch denkbar, dass sich da Freiwillige finden.
In der Tat hatten sich ja Polizeibeamte selbst für Tests zur Verfügung gestellt.
Das ist schwieriger. Der Dienstherr muss im Rahmen seiner Fürsorgepflicht abwägen, ob er das verantworten kann.
Wie es ist in diesem Fall: Ist es überhaupt legitim einen Selbstmörder mit der Schusswaffe aufzuhalten?
Der Schusswaffengebrauch zur Gefahrenabwehr ist grundsätzlich zulässig. Daran besteht in diesem Fall kein Zweifel: Potenzielle Selbstmörder an ihrem Vorhaben zu hindern ist eine Aufgabe der Gefahrenabwehr – und damit der Polizei. Das Leben ist einfach ein hohes und damit schützenswertes Gut. Nur der Gebrauch nicht zugelassener Waffen ist problematisch.
Ist zu befürchten, dass diese neue, nicht unmittelbar tödliche Pistole die Hemmschwelle zum Schusswaffengebrauch senkt?
Das ist eine Frage der Führung von Beamten. Der Schusswaffengebrauch wird von Beamten nicht gerade leichtfertig gehandhabt. Grundsätzlich kann ich mir daher den Einsatz dieser Waffe zur Gefahrenabwehr vorstellen.
INTERVIEW: DIRK HEMPEL
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