: Steuerbetrug wird schwerer
Das Kabinett verabschiedet ein Gesetz zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug: Unangemeldete Prüfer und eine bundesweite Steuerdatei sollen jährlich 4,5 Milliarden Mark für den Fiskus retten
von BEATE WILLMS
Ist es möglich, dass ein Händler Handys oder Computerbausteine noch unter dem Herstellerpreis anbietet, ohne dabei Verlust zu machen? Legal nicht. Aber mit so genannten Karussellgeschäften geht das relativ einfach – vor allem seit Einführung des EU-Binnenmarkts: Die Warenlieferung aus einem EU-Nachbarstaat wird über eine inländische Scheinfirma geschleust und dadurch umsatzsteuerpflichtig. Der Empfänger macht diese – nicht gezahlte – Umsatzsteuer beim Vorsteuerabzug beim Finanzamt geltend, kassiert sie und kann es sich so leisten, billig zu verkaufen.
Rund 20 Milliarden Mark gehen Bund, Ländern und Kommunen nach Berechnungen des Bundesrechnungshofs auf diese Weise jährlich verloren. Wenigstens 4,5 Milliarden davon will Finanzminister Hans Eichel (SPD) nun zurückholen. Gestern verabschiedete das Kabinett seinen Entwurf eines „Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes“.
Danach sollen Betriebsprüfer künftig unangemeldet auftauchen können, wenn es um Umsatzsteuer geht. Bislang gilt eine Anmeldefrist von 14 Tagen, während der Scheinfirmen in aller Ruhe aufgelöst werden können.
Hat das Finanzamt Zweifel, ob ein Gewerbetreibender wirklich berechtigt ist, Vorsteuer abzuziehen, wurde bislang die Vorsteuer nicht gewährt, bis die Prüfung abgeschlossen ist. Das kann die Unternehmen schon mal in einen Liquiditäts-Engpass treiben. Nach dem Kabinettsentwurf soll dies nicht mehr möglich sein. Finanzämter können künftig jedoch eine Bankbürgschaft für den strittigen Betrag verlangen.
Neue Firmen sollen ihre Umsatzsteuer während der ersten zwei Jahre künftig monatlich statt vierteljährlich anmelden müssen. Auch die Haftungstatbestände werden erweitert: So können Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden, die lediglich von Karussellgeschäften oder anderen Betrugsfällen wussten. Zusätzlich sollen eine bundesweite Steuerbekämpfungsdatei angelegt sowie die EU-weite Zusammenarbeit verbessert werden.
Nachdem die Wirtschaftsverbände sich schon im Vorfeld über die unangemeldeten Betriebsprüfungen und die neue Absicherung bei der Vorsteuer aufgeregt hatten, konnte sich gestern auch der Bund der Steuerzahler nicht recht für den Entwurf begeistern. Umsatzsteuerbetrug könne auch bekämpft werden, wenn die derzeitigen Möglichkeiten besser genutzt würden. Nun bestehe die Gefahr, „dass ehrliche Steuerzahler kriminalisiert“ würden. Das sah der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, anders: Eine Betriebsprüfung sei schließlich kein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren. Die Unternehmen müssten sich eher freuen, wenn auf diese Weise illegale Wettbewerbsverzerrungen angegangen würden. Er begrüßte Eichels Pläne uneingeschränkt. Verhaltener äußerte sich der Bremer Steuerexperte Rudolf Hickel. Der Entwurf gehe zwar in die richtige Richtung, eigentlich gebraucht werde aber eine einheitliche Umsatzbesteuerung in der EU.
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