: Die Maut kommt, der Stau bleibt
27 bis 37 Pfennig je Kilometer sollen LKWs ab 2003 zahlen, wenn sie auf der Autobahn fahren. Grüne wollen die Maut auch für alle Bundesstraßen
aus Berlin KATHARINA KOUFEN
Zufall oder nicht – der August ist ein guter Monat, um den LKWs eine Gebühr aufzubrummen. Die Deutschen kommen aus dem Urlaub zurück und hatten mal wieder so richtig Gelegenheit, sich über die verstopfte rechte Autobahnspur aufzuregen. Just nachdem die Hauptreisezeit vorbei ist, traf sich gestern in Berlin das Kabinett und verabschiedete die lang diskutierte Maut für LKWs.
Die Abgabe soll ab 2003 für Laster ab zwölf Tonnen Gewicht auf allen deutschen Autobahnen gelten sowie auf solchen Bundesstraßen, die wegen ihrer autobahnnahen Lage eine plausible Ausweichmöglichkeit böten. Generell ist es nach EU-Recht bisher nur auf Autobahnen erlaubt, Gebühren zu verlangen. Vor allem der grüne Koalitionspartner in Berlin hofft, dass sich das bald ändert. „83 Prozent aller Güter werden im Umkreis von 150 Kilometern transportiert. Da lohnt es sich für die Fahrer schon, auf Landstraßen auszuweichen“, meint der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Ali Schmidt. „Wir wollen nicht, dass Anwohner dort die Leidtragenden der Autobahngebühr sind.“
Die Höhe der Maut steht noch nicht endgültig fest. Bisher waren 25 Pfennig pro Kilometer im Gespräch. Gestern nannte Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) einen „Korridor von 27 bis 37 Pfennig“. Das seien die vorläufigen Ergebnisse eines Gutachtens unabhängiger Wirtschaftsinstitute. Nach EU-Recht darf die Maut nicht höher sein als die tatsächlichen Wegekosten. Dazu gehören ausschließlich Straßenbau und -erhaltung; externe Kosten wie Umweltfolgen oder Unfallschäden hingegen nicht.
„Mit der LKW-Maut ist ein wichtiger Baustein der anstehenden Verkehrsreform gelegt worden“, sagte Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig gestern bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs. Zu dieser Reform gehörten außerdem die Neuordnung von Bahnnetz und -betrieb sowie die Einrichtung einer Verkehrsfinanzierungsgesellschaft, die gewährleisten soll, dass die Einnahmen ausschließlich für Infrastruktur ausgegeben werden.
Tatsächlich ist die Maut mehr als nur ein Wahlversprechen: Mit ihr wird erstmals Straßenbau von den Nutzern finanziert und nicht über Steuern. Bodewigs Argumentation: Wer verursacht, soll zahlen. PKWs dürfen dennoch weiterhin umsonst fahren, denn „ein einziger LKW schadet dem Straßenbelag so viel wie 16.000 PKWs“, verteidigt Bodewig die Autofahrer. Die Maut soll außerdem angesichts eines sinkenden Staatshaushalts mehr Geld für den Verkehr locker machen. „Schon heute muss ich 35 Prozent meines Etats für die Erhaltung ausgeben“, so der Minister.
Noch ist die Idee der vom allgemeinen Haushalt unabhängigen Finanzierungsgesellschaft allerdings nicht in trockenen Tüchern. Derzeit stimmen sich die Ressorts ab. Streit gab es zunächst mit dem Finanzminister, der einen möglichst großen Teil der Einnahmen zur Schuldentilgung verwenden will. Jetzt sei er sich jedoch mit Hans Eichel einig, sagte Bodewig, dass der Verzicht des Finanzministers auf die Einnahmen aus der bisher gültigen Euro-Vignette mit 1,5 Milliarden Mark kompensiert werde. Derselbe Betrag ist für das noch von Vorgänger Klimmt ins Leben gerufene Antistauprogramm geplant, mit dem Autobahnen ausgebaut und Schienen saniert werden sollen. Was mit den weiteren ein bis zwei Milliarden Mark Maut-Einnahmen geschieht, „entscheiden wir, wenn wir sie haben“, so Bodewig.
Die rot-grüne Regierung hofft außerdem auf die Lenkungswirkung einer solchen Maut: Erstens ist die neue Abgabe im Gegensatz zur bislang gültigen Jahrespauschale streckenbezogen. Das heißt: Wer weniger fährt, zahlt auch weniger. Zweitens würden umso mehr Spediteure die Bahn bevorzugen, je teurer der LKW-Transport werde, meint etwa Schmidt. „Ein 40-Tonner, der 100.000 Kilometer zurücklegt, wird im Jahr 30.000 bis 40.000 Mark mehr zahlen“, rechnet er vor. „Das ist mehr als das Zehnfache von dem, was er bisher zahlt.“ Vor allem Leerfahrten oder so genannte Lagerfahrten, die oft billiger sind als die Lagerung vor Ort, würden sich dann nicht mehr lohnen.
Ganz anders sieht das der Bundesverband Spedition und Logistik: „Es wird keinen nennenswerten Verlagerungseffekt auf die Bahn geben“, sagte Pressesprecherin Barbara Rauch gestern der taz. „Die Bahn ist nach wie vor zu langsam, zu unpünktlich und zu teuer.“ Stattdessen sieht der Verband „100.000 Arbeitsplätze“ in Gefahr, weil kleinere Unternehmen nach Einführung der Maut vor dem Aus stünden. „Schon heute ist ein deutscher LKW um 40 Prozent teurer als ein holländischer oder ein französischer“, so Rauch. Die neuen Gebühren würden die Waren letzlich nur teurer machen: „Wir rechnen mit einem Kaufkraftverlust von vier bis fünf Milliarden Mark pro Jahr.“ Das ist genau die Summe, die der Staat über die Maut einzunehmen hofft.
Die Spediteure fordern daher, die Kfz-Steuer müsse auf ein europäisches Mindestniveau von 1.600 Mark gesenkt werden – derzeit zahlt ein mittlerer LKW etwa 2.000 Mark Steuern. Auch sollte ein Teil der Mineralölsteuer rückerstattet werden. „Sonst werden die deutschen LKWs bald von ausländischen verdrängt“, fürchtet Rauch. Weniger Gedränge auf der rechten Spur wird es trotz Maut jedenfalls nicht geben: Prognosen gingen bisher davon aus, dass der deutsche LKW-Verkehr bis 2015 um knapp zwei Drittel steigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen