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Nächster Halt Spritzenplatz

Ein Bus mit Geschichte: Gestern wurde der Drogenraum in St. Georg eröffnet  ■ Von Elke Spanner

Es ist, als begrüße man einen alten Bekannten. Auch Gesundheitssenatorin Karin Roth (SPD) hat den Bus gestern nicht wirklich „eingeweiht“, auch wenn sie das behauptet. Sie hat nur einen alten Mitarbeiter zurückempfangen, den sie höchstselbst vor zwei Jahren aus dem Amt getrieben hatte. Damals trug der noch den Namen „Drug-Mobil“. Gestern freute sich Roth über das Fahrzeug, das nun als „Rauchbus“ einen neuen Parkplatz in St. Georg bekam.

Ehe er drogenpolitische Geschichte schrieb, tourte der Bus als HVV-Transportmittel durch die Stadt. Das aber ist schon lange vorbei. 1994 wurde er umgebaut, „Drug-Mobil“ getauft und fortan als erste Fixerstube der Bundesrepublik genutzt. Der Verein „freiraum“ stellte das Ex-Fahrzeug in Billstedt auf. Fünf Jahre lang konnten Heroinsüchtige dort medizinisch kontrolliert ihren Stoff spritzen.

Ende 1999 dann wurde der Bus entweiht. Längst war er zu eng geworden, und „freiraum“ verhandelte mit der Behörde darüber, stattdessen geräumigere Container als Fixerstube zu bekommen. Statt dem altbewährten Betreiber aber die Fortentwicklung zu ermöglichen, schrieb Senatorin Roth die Trägerschaft für die neue Fixerstube öffentlich aus – und gab der Bremer Firma „steps“ den Zuschlag. „Freiraum“ war abserviert, der Bus auch. Der zog um. Jetzt wurde das Schanzenviertel sein Zuhause.

Dort bekam der Bus nicht seinen Ruhesitz, sondern eine neue Aufgabe zugeteilt. Jetzt wurden darin Spritzen getauscht. Fünf Mal in der Woche stand er seither am Schulterblatt bereit. Junkies konnten dort ihre benutzten Spritzen abgeben und bekamen im Gegenzug neue, sterile „Pumpen“ dafür.

Als der Senat dann Anfang Juli sein neues „Handlungskonzept St. Georg“ präsentierte, war der Bus darin für eine neue Rolle vorgesehen. Seit gestern steht er neben dem „Drob Inn“ in der Kurt-Schumacher-Allee. Eigentlich sollte er wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zugeführt und eine Fixerstube werden, vorübergehend, bis irgendwann feste Räume gefunden sind. Da der jetzige Betreiber, der Verein „Jugendhilfe“, die Räumlichkeiten aber für zu eng erachtete, disponierte man um: Statt der Druckplätze wurde Raum zum Rauchen von Crack oder Heroin geschaffen. Dafür wurden die Rauchplätze aus dem Drob Inn in den Bus ausgelagert. In der festen Einrichtung konnten im Gegenzug die Druckplätze von sieben auf zehn ausgebaut werden.

Den leer gewordenen Parkplatz im Schanzenviertel füllt nun ein Artgenosse. Dort werden fortan aus der „Linie 91“ heraus Spritzen verteilt. Das ist auch ein Omnibus. Der gehört dem Eimsbütteler „Cafe Drei“ und war bereits an den Wochenenden im Schanzenviertel im Dienst.

Trotz der neuen Aufgabe bleibt für das Ex-Drug-Mobil und jetzigen Rauchbus zumindest etwas beim Alten: An seinen Einsatzort gefahren wird er noch von dem gleichen „Freiraum“-Mitarbeiter, der dort schon immer hinter dem Steuer saß.

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