„Ich – der Straßenfußballer“

Jan Koller bildet in Dortmund mit seinem tschechischen Kumpel Tomas Rosicky ein kongeniales Duo. Im Leibchen von Borussia will Koller „Meisterschaften feiern, etwas, was man nicht vergisst“

Interview THOMAS TARTEMANN
und OLIVER GERULAT

taz: Herr Koller, wie finden Sie den deutschen Fußball?

Jan Koller: Was man über den deutschen Fußball und seine Tugenden erzählt, trifft zu. Es herrscht eine große Disziplin.

Und welchen Eindruck haben Sie bislang vom Dortmunder Trainer Matthias Sammer?

Sammer weiß ganz genau, was er tut. In den letzten Wochen haben wir unheimlich viel im taktischen Bereich gearbeitet. Er ist hoch anerkannt, genießt allein dadurch schon ein großes Maß an Autorität. Es macht Spaß, mit ihm zu arbeiten.

Welchen Stellenwert hat für Sie die Station Dortmund?

Ich bin in meiner Karriere Schritt für Schritt vorwärts gegangen. Bevor ich zu Sparta Prag kam, habe ich überhaupt nicht professionell Fußball gespielt. In Lokeren habe ich gelernt, was darunter zu verstehen ist. Dann Anderlecht, das kann man mit Lokeren nicht vergleichen, der Club ist in Belgien ein absoluter Begriff. Dortmund ist für mich jetzt ein sehr wichtiger Schritt, Borussia ist in Europa ein Topclub.

Ein Topclub mit einem großen Kader. Kann das nicht auch zu Problemen führen?

Natürlich ist das für einen einzelnen Spieler sehr unangenehm, schließlich dürfen nur elf Akteure auflaufen. Aber wenn wir in dieser langen Saison große Leistungen zeigen wollen, dann brauchen wir alle Leute, die Konkurrenz muss da sein. Rotation muss man akzeptieren, das darf kein Problem sein. Schließlich haben wir mit allen Wettbewerben auch viele Begegnungen.

Haben Sie den Traumberuf?

Es ist eine wunderbare Sache, wenn man ein Hobby wie den Fußball zum Beruf machen kann. Davon habe ich als kleiner Junge immer geträumt, einmal ein Profifußballer zu werden.

In Ihrer Heimat sind Sie jetzt wohl ein Star.

Die Leute wissen, wer ich bin. Bis jetzt hält sich der Starrummel im Rahmen. Die Ablösesummen sind aber auf jeden Fall viel zu hoch geschraubt. Ich fühle mich überhaupt nicht wie ein 21-Millionen-Mark-Mann. Wenn ich in der Position der Clubs wäre, würde ich das nicht zahlen.

Was würden Sie tun, wenn Sie kein Fußballprofi wären?

Ich habe eine Ausbildung zum Automechaniker gemacht, ich kann mir aber nicht vorstellen, in diesem Beruf zu arbeiten.

Falls der Mannschaftsbus einmal liegen bleibt, können Sie das Gefährt flottmachen?

Ich werde ihn wohl kaum wieder zum Rollen bringen.

Sie sind 2,02 Meter groß, verfügen aber über eine erstaunliche Technik.

Da, wo ich aufgewachsen bin, gab es nur Fußball. Wir haben jeden Tag auf den Plätzen gespielt. Wir waren Straßenfußballer. Das gibt es heute leider nicht mehr. In meiner Jugendzeit haben die Trainer auch darauf geachtet, viel mit dem Ball zu arbeiten.

Welche Trainer waren für Sie von Bedeutung?

An Jürgen Sundermann erinnere ich mich sehr gerne. Er hat mir bei Sparta Prag immer wieder gesagt, ich könne es schaffen.

Gibt es noch andere Sportarten, für die Sie sich begeistern?

Ich habe vor allen Sportlern einen großen Respekt, die in ihre Sportart viel Arbeit investieren. Für Eishockey habe ich viel übrig. Jaromir Jagr hat in meiner Heimat eine große Popularität.

Wer sind für Sie die größten Sportler?

Wayne Gretzky und Michael Jordan zum Beispiel.

Welche Ziele möchten Sie noch erreichen?

Ich möchte auf jeden Fall Meisterschaften feiern. Ich will zur Weltmeisterschaft, wenn wir uns qualifizieren. Mein Traum ist ein größerer Titel, etwas, was man nicht vergisst.

Ist die tschechische Nationalmannschaft reif für einen großen Coup?

Bei der letzten EM dachten wir alle, wir könnten Bäume ausreißen, aber nichts hat geklappt. Die Erwartungen sind sehr hoch, logisch, alle unsere Spieler haben europaweit Verträge. Aber Frankreich wird noch ein paar Jahre oben sein.

Sie präsentieren sich als uriger Koloss. Ruhen Sie tatsächlich in sich selbst?

Das schaut nach außen so aus. Innen drin kann ich auch anders sein. Es gibt Momente, in denen ich ausflippe. Aber an sich bin ich ein mehr introvertierter Typ.

Wenn ein Spiel vorbei ist, was passiert dann?

Es ist ganz wichtig, dass man sich erholt, dass man die freie Zeit genießt. Meine Freundin Hedvica und ich gehen gerne spazieren oder in der Stadt bummeln. Fußballspiele im Fernsehen verfolge ich nur, wenn sie interessant sind, alles schaue ich nicht, lieber einen Spielfilm. Ich bin nicht der Fußballverrückte, sonst wäre ich wohl auch Single.