joachim lottmann: Der Grüne Heinrich : Gott! Die Alte vom Minister
Der taz-Sommerroman (VII): Ministerialrat Dr. Rezzo Heinrich (45, Die Grünen) sucht und findet die körperliche Vereinigung mit der Militärpolitikerin Angie Tiger (Die Grünen). Endlich. Aber nach vier Mal hat selbst er genug. Er flieht. Doch der Bundesgrenzschutz stellt ihn
Angie raste über ihm, mit verdrehten Augen, wie von Sinnen zappelnd und stoßend, bohrte ihre militärpolitischen Fingernägel in seine Schultern und kriegte einfach kein Ende mehr hin.
Furchtbar.
Danach folgte wieder das ‚gute Gespräch‘. Albanien. Kriegsverbrechertribunale gestern und heute. Milošević und die Folgen. Die Helfer des Bösen: von Albert Speer bis Karadžić. Der fünfte Orgasmus lag drohend in der Luft, als Dr. Rezzo Heinrich seine nassen Sachen packte und an dem im dritten Hinterhof Wache schiebenden Beamten vorbei ins Freie zu fliehen versuchte . . . was nicht gelingen konnte!
Auf genau diese Situation hatte der Gendarm seit sechs Monaten gewartet. Die „verdächtige Person aus dem privaten Umfeld“ war endlich erschienen: Ministerialrat Dr. H. aus Bonn, jetzt wohnhaft in Berlin. Mit entsicherter Dienstwaffe wurde er in Schach gehalten, bis Verstärkung eintraf (was nicht geschah). Ein nächtliches Sommergewitter entlud sich nun.
Endlich, dachte Porsche. Daher die Spannung die ganze Zeit. Dieser völlig überzogene Sex. Das war verantwortungslos gewesen, sein armes Herz. Schnell überfluteten Sturzbäche den krummen, kaputten Pflastersteinboden, auf dem er lag, Gesicht nach unten, Hände hinter dem Nacken. Er lugte nach links und nach rechts. Feine Hütte, originalgetreu saniert, 20er-Jahre. Sah wirklich aus wie früher. Milchig gelbe Rundlaternen, matt und lichtarm. Das totale Vorkriegsfeeling . . .
Als Deutschland noch nicht befleckt war mit Schuld . . . Hohe Räume, grau, braun, grüne Farben. Kinderräder . . .. eine Katze streunte herum . . . Spielecken . . . Ordnung, Symmetrie – hier wohnten Familien . . . Alles war voller Unschuld. Voller Sicherheit. Der Staat passte auf. Auf die Frauen, auf die Kinder. Endlich kam die Verstärkung, eine Spezialeinheit vom Bundesgrenzschutz, mit Leuchtmunition und allem. Die kannten sich aus, die kannten natürlich auch ihn.
„Das ist der Grüne Heinrich!!“, rief einer sofort. Puh! Alles war furchtbar peinlich, aber er achtete nicht mehr darauf, flüsterte nur noch: „Fahren Sie mich einfach nach Hause.“
Der nächste Tag war schrecklich und – immer noch – heiß. Das Bundesministerium, die Fenster abgedeckt mit Plastikstaubplanen, erstarrte unter der Sonne. Zudem war hier der Hund begraben. Verkehrsarm trotz der zentralen Lage, ohne jedes städtische Flair, gegenüber sanierte Plattenbauten! Und überall Überwachungskameras, 24 Stück, das passte ja. Dr. Heinrich ärgerte sich. Alles dunkel hier, verbiestert, menschenfeindlich! Wozu sollte der Nato-Stacheldraht rund ums Gebäude gut sein? Ja, wofür? Er ließ sich vorzeitig wegfahren, lautlos im großen Daimler, die paar Meter bis zum GRÜNEN HAUS in der Hannoverschen Straße, der Parteizentrale, wo er einen Termin hatte.
Stau in der Friedrichstraße. All die blöden Modegeschäfte. Der Rundbau von Lafayette. Die neuen UCI-Kinos. Angelina Jolie überlebensgroß. Er starrte fassungslos auf die überdimensionierten Honigmelonenbrüste, verdrehte sich fast den Hals dabei, der Fahrer bemerkte es.
Er war zu einem Essen geladen, im Grünen Haus, zu dem auch die thailändische Statthalterin der Böll-Stiftung kam. Unordentliche Lockenfrisur, Brille, Wallekleider. Und feindselig schon bei der Frage: Was machst du denn so? (Er kannte sie noch aus Bonn)
„Du, ich mach Projekte, wenn du nix dagegen hast.“
Was denn für welche?
„Da gibt’s tausend Sachen. Wir haben zum Beispiel so’n Ding laufen, das sich konkret auf Transis bezieht, also intern, wo Transis gewalttätig gegenüber Frauen sind, weil sie ja auch noch diese Macho-Identität haben und voll die Frau als Konkurrentin begreifen, und dann natürlich auch die totale Opferseite, wo sie sich dann Silikon in den Arsch spritzen lassen, manchmal hundert Gramm, und so’n Scheiß, und das rutscht denen dann runter . . .“.
„Gibt es denn nichts Wichtigeres für eine deutsche Stiftung, als sich um die Transis in Bangkok zu kümmern?“
„Du, klar, man kann das alles ins Lächerliche ziehen und ne Frage zum Beispiel, ob ’n nationaler Frauenkongress wichtig ist oder nicht, da kann man total drüberweggehen, aber man kann es auch ernsthaft diskutieren, aber mir ist das jetzt viel zu blöde . . .“
Worauf sie sich noch einen dicken Schlag Lasagne auflud, und später hat sie wohl auf dem Klo gekotzt.
Porsche sah ihr genervt hinterher. Sein Blick verharrte doof und ausgeknockt auf der Klotür. Jetzt musste aber schnell was Attraktiveres her, Herrgott! Als hätte eben dieser Gott den Gedanken gehört, öffnete sich die Tür, und es erschien: Dörte Kaufmann! Die Alte vom Außenminister!
Oh, Gott! (Anm. d. Red) Fortsetzung nächsten Samstag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen