Fans eines Raumausstatters

Im Berliner Bezirk Reinickendorf betreiben junge Leute einen Fanclub für den CDU-Spitzenkandidaten Frank Steffel. Für einen einfachen Raumausstatter, den andere junge Berliner als „die größte Witzfigur seit Erfindung der Kokosnuss“ bezeichnen

von KIRSTEN KÜPPERS

Der Spitzenkandidat der Berliner CDU, Frank Steffel, hat Werbepostkarten für sich drucken lassen. Vorne ist ein Foto von ihm drauf, wie er locker dasteht, ein Jackett über die Schulter geschwungen. Hinten steht ein Satz für die jüngere Generation: „Ich will, dass jeder junge Mensch den Wunsch verspürt, einmal in Berlin zu leben.“

Natürlich löst das ein schönes Gefühl aus bei den Jungs im Stadtteil Reinickendorf. Eine Ahnung, privilegiert zu sein. Einfach so. Weil man ja schon längst wohnt in dieser Stadt. Wenn auch in einem Randlagenbezirk, in dem außer beschaulicher Reihenhausidylle nicht viel los ist, schon gar nichts, was junge Menschen von anderswo hierher locken sollte. Aber wahrscheinlich sind die Jungs vom Junge-Union-Ortsverband Reinickendorf Frank Steffel gerade deshalb so dankbar für solche Äußerungen. Weil sie gut sind fürs Selbstbewusstsein. Und beweisen, dass Steffel „junge Leute kompetent vertritt“, wie der 19-jährige Gymnasiast Lorenz Weser sagt.

Er und seine Freunde vom JU-Ortsverband sind also für Frank Steffel. Unbedingt. Ihr Favorit muss einfach Bürgermeister werden. So sehr wollen sie diesen Sieg bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Oktober, dass sie im Juni eine eigene Unterstützergruppe für ihren Kandidaten gegründet haben: einen Frank-Steffel-Fan-Club.

Zum Fanclub gehören eine Internetseite und ein „harter Kern“ von etwa 30 Mitgliedern im Alter von 14 bis 27 Jahren von der Jungen Union Reinickendorf. Wenige Mädchen sind dabei, im Grunde ist das Ganze ein Jungs-Projekt, gibt Lorenz Weser zu.

Ihre Verehrung beweisen die Clubmitglieder hauptsächlich durch Anwesenheit. Ob beim Sommerfest in Tegel, der Euromeile am Ku’damm oder der Tankstellenaktion gegen die Ökosteuer – die Steffel-Fans zeigen mit einem Sonnenschirm und einem Infotisch Präsenz. Auf dem CDU-Parteitag hat die Gruppe eine La-Ola-Welle gemacht. Beim gemeinsamen Auftritt von Stoiber, Merkel und Steffel auf dem Alexanderplatz musste sie sich vor wenigen Wochen von Gegendemonstranten mit Eiern beschmeißen lassen, beim Termin der CDU-Spitze zum Mauergedenken am Checkpoint Charlie wurde sie zusammen mit ihrem Favoriten ausgebuht.

Heute haben die Fans mit Frank Steffel einen 30-minütigen Internet-Chat arrangiert. Dort dürfe man „das Idol“ alles fragen, heißt es. Selbst Privates sei erlaubt, etwa wie Steffel seine Frau getroffen habe. Die JUler kennen den CDU-Mann gut genug, um zu wissen, dass Bürgernähe für einen wie Steffel kein Problem ist. Schließlich wohnen sie in seinem Wahlkreis Reinickendorf-Frohnau. Steffel war dort jahrelang Mitglied im CDU-Ortsverband. Auch seine Frau Katja kennen sie, „sie gehört ja irgendwie zu ihm“, findet Weser. Da wirbt man gern. Seit das Ende der großen Koalition in Berlin im Juni „wie ein Sturm über uns alle hereingebrochen ist, versuchen wir, Frank Steffel einfach zu entlasten“, erzählt er.

Man kann sich wundern, wo so eine Verehrung herkommt bei jungen Menschen. Eine Verehrung, die keinen Popstar oder Fernsehhelden betrifft. Sondern einen Reinickendorfer Raumausstatter, der früh in die Politik gegangen ist, und nun ohne besondere Aussichten als CDU-Bürgermeister für die Hauptstadt kandidiert. Einen, den andere junge Berliner als „die größte Witzfigur seit Erfindung der Kokosnuss“ bezeichnen, etwa die Gegendemonstranten bei der CDU-Veranstaltung zum Mauergedenken.

Lorenz Weser nestelt bei dieser Frage am Hosenbein: „Frank Steffel ist ein Kandidat mit herausragenden Leistungen.“ Als Geschäftsführer habe er den elterlichen Raumausstattungsbetrieb zu einem Unternehmen mit 300 Mitarbeitern ausgebaut. „Das ist vorbildlich.“ Steffel sei kein Politiker wie der SPD-Kandidat Klaus Wowereit, der sich seit Jahren in der Verwaltung hochdiene, sondern einer, der „mitten im Leben steht“. Allerdings auch kein „Showtalent“ wie der PDS-Mann Gregor Gysi, „der etwas anderes zum Schein gibt, als seine Partei vertritt“. Nein, Frank Steffel sei einfach „konstruktiv konservativ“. Obendrein liberal. Das gefalle ihm, sagt Lorenz Weser. Sogar schwarz-grüne Experimente könne er sich bei ihm vorstellen, wenn auch nicht mit „diesen Alt-68ern“, die in Berlin die grüne Partei dominierten. Weser klingt jetzt selbst wie ein kleiner Politiker. Diesen Vortrag hat er schon oft gehalten, das merkt man.

Da der Kandidat jedoch noch nicht so populär ist, „wie wir uns das wünschen“, richten die jungen Steffel-Anhänger derzeit ihre Tage streng nach dem CDU-Terminkalender aus: Gesprächskreis „Innere Einheit“, Vorstellung des Schattenkabinetts, Bürgerrunde am S-Bahnhof Frohnau – wegen des Wahlkampfs entfällt bei einem Fan gerade der Urlaub mit der Freundin.

Dazu kommt das ganz normale Fanclubgeschäft. Jeden Freitag treffen sich die Anhänger um 19 Uhr im Clubhaus der Jungen Union Reinickendorf. Der niedrige Backsteinbau liegt gleich hinter dem Polizeirevier. Im Versammlungsraum gibt es eine Theke aus Kiefernholz und laute Musik von einer Modern-Talking-CD. Eigentlich sollte auch hier über die aktuellen politischen Geschehnisse rund um Frank Steffel debattiert werden, hatte Lorenz Weser am Telefon angekündigt. Aber die Clubmitglieder stehen dann doch nur mit Bierflaschen in der Hand herum und lassen sich von den Pressefotografen ablichten, die an diesem Abend zu Besuch sind. Die Fans haben dafür ihre weißen T-Shirts mit aufgedrucktem Frank-Steffel-Gesicht angezogen. Ein weiterer Wahlkampftermin. Mit dem Aufsehen, das sie erregen, sind die jungen Männer händeschüttelnd zufrieden.

So geht der Abend dahin. Später werden noch andere Steffel-Devotionalien präsentiert: Tassen mit dem Kopf des Spitzenkandidaten, ein Clubmitglied hat österreichisches „Steffl“-Bier aus dem Urlaub mitgebracht. Alle trinken noch ein wenig Alkohol. Zwei von den drei Mädchen sind schon gegangen. Ein Steffel-Fan isst im Stehen eine Tiefkühlpizza. Draußen blühen die Geranien. Sonst passiert nichts. Es ist Freitagabend. Bei der Jungen Union Reinickendorf.