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Der Krieg lässt die Arbeitslosigkeit steigen

Die Erwerbslosigkeit in Israel bewegt sich in Richtung zehn Prozent. Neben den Palästinensern leidet auch die Bevölkerung des jüdischen Staates

JERUSALEM taz ■ Mit ernstem Gesicht trat der israelische Arbeits- und Sozialminister Schlomo Benisri (Schass-Partei) vor die Presse, um die jüngsten Zahlen vom Arbeitsmarkt kund zu tun. „Dies ist kein leichter Tag, weder für die Wirtschaft noch für die Nation“, sagte er. Mit derzeit 186.402 Arbeitssuchenden erreicht die Zahl der Israelis ohne feste Anstellung einen neuen Rekord.

Und die Prognosen sind düster. Bis zum Jahresende, so schreibt die Jerusalem Post, mag die Zahl der heute 8,6 Prozent Arbeitslosen gar auf 10 Prozent ansteigen.

Besonders schlimm betroffen sind die arabischen Gemeinden. In Nazareth sind bereits 14,4 Prozent der Bevölkerung ohne Beschäftigung. Grund für die alarmierenden Zahlen sind auch die jüngsten Schließungen zahlreicher Produktionsstätten, vor allem in der Textil- und Metallverarbeitungsindustrie, die sich zumeist in dem kostengünstigeren Nachbarland Jordanien ansiedelte. Benisri appellierte an Finanzminister Silvan Schalom, das Seine zu tun, um „das Rekortlevel der Arbeitslosigkeit wieder zu senken“.

Tatsächlich kündigte Schalom bereits an, bei der bevorstehenden Haushaltsdebatte für das kommende Jahr das Augenmerk auf Infrastruktur und Arbeitsmarkt zu legen. „Die sozialökonomische Kluft ist eine Zeitbombe“, meinte der israelische Finanzminister.

Jedes Prozent Wachstum würde 20.000 neue Arbeitsplätze bringen, so seine Hoffnung. Sollten sich die Prognosen von 3,5 bis 4 Prozent Wachstum im kommenden Jahr bewahrheiten, würden damit rund 80.000 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Doch diese Prognose erscheint zu optimistisch. Schon im laufenden Jahr musste die Wachstumsziffer von zunächst 2,5 bis 3 Prozent auf derzeit 1,5 Prozent zurückgenommen werden. Israels Wirtschaft hat nicht nur mit der internationalen Konjunkturflaute zu kämpfen, sondern vor allem auch mit der Eskalation der Gewalt und ihrer Folgen.

Zwar wirkt sich die so genannte Al-Aksa-Intifada unvergleichbar schlimmer auf die palästinensischen Autonomiegebiet aus, wo die Armutsrate in den vergangenen Monaten auf inzwischen 40 Prozent angestiegen ist, doch auch in Israel geht der Lebensstandard breiter Schichten deutlich zurück.

Um diesen Prozess aufzuhalten, ist der Finanzminister sogar bereit, eine Erhöhung des Defizits in Kauf zu nehmen. „Wir können die Wirtschaft nicht heilen, indem wir die Gesellschaft verletzen und die Arbeitslosen ignorieren“, meinte Schalom, der notfalls mit Beschäftigungsprogrammen die steigenden Zahlen bei der Erwerbslosigkeit aufhalten will. Bei David Klein, Präsident der Zentralbank und vehementem Verfechter einer restriktiven Finanzpolitik, stößt Schalom damit auf scharfen Widerstand. Um die Folgen des Konflikts mit den Palästinensern zu mindern, müsse man andere Mittel einsetzen, meinte Klein.

In der ursprünglichen Finanzplanung für das kommende Jahr war ein Haushaltsdefizit von 1,75 Prozent des Bruttoinlandprodukts vorgesehen. In dem unterdessen von der Zentralbank erstellten „Rahmenplan für die israelische Wirtschaftspolitik 2002“ ist bereits von einem erwarteten Defizit von 2,5 Prozent die Rede, wobei Finanzminister Schalom sogar ein Defizit von 3,5 Prozent in Aussicht stellte.

Streitpunkt zwischen Klein und Schalom ist außerdem der Leitzins, der monatlich von der Zentralbank festgelegt wird und den der Finanzminister als zu hoch betrachtet.

Klein wird vermutlich bis zur im September geplanten Haushaltsverabschiedung warten, bevor er über erneute Zinssenkungen nachdenkt, die die Wirtschaft wieder ankurbeln könnten. SUSANNE KNAUL

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