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Wider den Lebertran

■ Ärzte und Fitness-Trainer bilden Allianz zur Vermehrung der Volksgesundheit

Rückenschmerzen, zu fett, Herzklabastern und dann noch zuckerkrank – sämtlich Volkskrankheiten, die, je älter die Menschen werden, umso mehr kosten. „Da tickt eine Bombe“, sagt Dr. Klaus Schwanbeck und hebt die Stimme: „Wer soll das letztlich bezahlen?“ Genau: keiner. Geht ja gar nicht. Deshalb bleibt uns zivilisationsverhunzten Wesen nur eines: Fit werden, fit bleiben, fit sterben.

Dieses Ziel zu erreichen, ist nun ein Netzwerk von ÄrztInnen einerseits und Fitness-Studios andererseits entstanden. Eine private Krankenkasse spielt auch noch mit, sie subventioniert die Nutzer dieses Netzwerks – sofern sie bei ihr versichert sind.

„Initiative Präventives Gesundheitssystem“ heißt das Ganze. Bundesweit läuft die Initiative in 108 Städten, Bremen ist seit einem dreiviertel Jahr dabei. Gestern stellten Ärzte und Fitnesstrainer die Sache offiziell vor. Das Prinzip klingt so simpel wie einleuchtend: Viele Sportstudios bieten Gesundheitstraining an. Viele Ärzte raten ihren Patienten dazu, kennen aber keine Studios – „wir haben alles, wir müssen es nur zusammenführen“, so Schwanbeck. Er ist Geschäftsführer bei der Gesundheits-Akademie Berlin. Sie koordiniert die Initiative.

Weil Ärzte nicht jedes Studio empfehlen können, müssen sich „gesundheitsorientierte Bewegungsanbieter“ zertifizieren lassen, sprich: auf eine bestimmte Qualität hin prüfen lassen. Die Trainer sind von Ärzten ausgebildet. Damit die Studios das Image der schweißmiefenden Muckibude ablegen, heißen die 13 bereits Zertifizierten in Bremen und umzu wohlklingend „Gesundheitsstützpunkte“.

Wer nun glaubt, er brauche das alles nicht, das tägliche Joggen oder die 1.000 Meter im Stadionbad reichten – der irrt. Es geht nämlich nicht nur um Ausdauer, es geht auch um Kraft. „Mit 50 nimmt die Kraft ab“, wusste gestern Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Bremer Hausärzte-Verbands. „Die Kraft ist wichtig, um das Hinfallen zu vermeiden“, ergänzte Dr. Lutz Kaschner vom Orthopäden-Verband. „Kraft hat einen direkten Einfluss auf die Knochendichte“, erklärte der Sportarzt Hubert Bakker vom Vorstand der Bremer Ärztekammer. „Es besteht ein eklatanter Zusammenhang von Lebensqualität und Beinkraft“, zitierte Markus Begerow Studien aus den USA. Markus Begerow ist Inhaber von vier Fitness-Studios in Bremen. Er kämpft besonders gegen das negative Image, das Studios haben, „vor allem bei Leuten, die noch nie in einem waren.“ Sein Credo: „Wider die Lebertran-Studios!“ Von Lebertran, erläutert der Fitness-Trainer, glaubten viele Leute: „Schmeckt schlecht, ist deshalb gut.“ Genauso sei es mit Sportstudio-Vorurteil: Spaß – Fehlanzeige. Das sei längst nicht so, sagt Begerow und zitiert Kundenbefragungen, deren schlechte Meinung von Fitness-Studios nach den ersten Besuchen aufs angenehmste enttäuscht worden seien.

Es geht den Bewegungsbewegten nicht nur um mehr Ausdauer, mehr Kraft, mehr Gesundheit. Es geht, so Klaus Schwanbeck, „um Lebensstil-Veränderung“. Und das gehe häufig nur „durch mehr Aktivität, man könnte auch sagen, durch mehr Eigenverantwortung.“

Die Krankenkassen sind an dem Projekt nicht beteiligt. Bis auf eine, eine private: die Berlin-Kölnische Krankenversicherung (BKV). Sie bezuschusst das Gesundheitstraining mit bis zu 300 Mark pro Jahr. Der Haken: Dafür muss der Versicherte aber erstmal eine – ebenfalls zwischen den Beteiligten festgelegte – Stufe der Fitness erreichen. „Um einen Anreiz zu schaffen“, so Schwanbeck.

Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht dabei. Zum einen dürfen sie laut Gesetz Prävention nur bei bestimmten Zielgruppen finanzieren, zum anderen „werden die das beobachten“, ist sich Hausarzt Weigeldt sicher. Was bei ihm so klingt, als könnten sich die großen gesetzlichen Kassen anschließen. Das sieht Heinzpeter Mühl vom Vorstand der Bremer AOK nicht so recht. Er verweist auf besagte Gesetze und wertet die „Initiative Präventives Gesundheitstraining“ vor allem als „Vertriebsaktion einer privaten Kasse einerseits und der Sportstudios andererseits“. Das müsse man aber nicht für verwerflich halten, schließlich seien auf ihre Qualität geprüfte Studios die besseren. „Nicht dass man sich da die Bandscheibe raushaut“, räsonniert der AOK-Mann, „die Kosten hätten wir dann.“

Susanne Gieffers

Mehr Infos über beteiligte ÄrztInnen und zertifizierte Studios gibt es in Berlin bei der Gesundheits-Akademie unter % 030/843 998 35 oder unter www.gesundheits-akademie-berlin.de , sowie bei Dr. Wolf Rieh, % 0421/69 39 60.

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