piwik no script img

Extremsport bei Großbritanniens Konservativen

Die Tories suchen einen neuen Vorsitzenden. Zur Auswahl stehen ein Europafreund und ein Europahasser. Auch Thatcher und Major mischen mit

DUBLIN taz ■ Die Tories werden an Europa noch zugrunde gehen. Britanniens Konservative suchen einen neuen Parteiführer, seit William Hague nach der verheerenden Wahlschlappe im Juni seinen Rücktritt verkündet hat. Die beiden Kandidaten, die nach den Vorwahlen übrig geblieben sind, stehen für die beiden Extreme der Partei: Ian Duncan Smith ist vehement antieuropäisch, Kenneth Clarke ist der europafreundlichste Tory.

Nun haben sich auch die beiden früheren Tory-Premierminister eingemischt. Margaret Thatcher warnte die 320.000 Parteimitglieder, die im kommenden Monat wählen müssen, vor Clarke. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Ken die Partei nicht in die Katastrophe führen würde“, sagte sie. „Die Konservativen würden immer wieder als hoffnungslos gespalten oder zutiefst zynisch bloßgestellt. Sie würden entweder offen gegen den Parteiführer rebellieren oder einer Politik folgen, die sie als falsch erkannt haben.“

John Major, Thatchers Nachfolger, unterstützt hingegen Clarke. Er sagte, Thatcher habe seiner Regierung „immensen und beispiellosen Schaden“ zugefügt, indem sie Anfang der Neunzigerjahre mit Typen wie Duncan Smith gemeinsame Sache gemacht habe, um den EU-Vertrag von Maastricht zu Fall zu bringen. Duncan Smith hatte vorgestern unter dem Applaus seiner Anhänger erklärt, er habe damals elf Mal mit der Labour Party gestimmt, um die Ratifizierung des Vertrages zu verhindern. Major habe ihm einen Ministerposten angeboten, um seine Loyalität zu erkaufen, doch er habe abgelehnt, behauptete Duncan Smith. Major antwortete, das sei gelogen. Das wiederum ärgerte Norman Tebbit, der einst als „Thatchers Rottweiler“ galt: Er bezeichnete Major als „alberne Figur“.

Das Gefecht der Tory-Veteranen war das Vorspiel für eine erbitterte Fernsehdebatte zwischen den beiden Kandidaten. Duncan Smith hatte am Mittwoch Fotos im Publikum verteilt, die Clarke mit Premierminister Tony Blair bei der Gründung der parteiübergreifenden Gruppe „Britannien in Europa“ zeigen. Das Bild dürfe man nie vergessen, sagte Duncan Smith.

Clarke, der Thatchers Kabinett als Finanzminister angehörte und ihr 1991 seine Unterstützung entzog, drückte seine Verachtung für Duncan Smith und seinen rechten Konservatismus aus, der die Tory-Politik bisher beherrscht habe. Die Tories haben im Juni zu Recht eine Wahlniederlage einstecken müssen, sagte Clarke: „Ich stimme meinen Mitbürgern in dieser Hinsicht voll zu.“ Über Thatcher sagte er: „Wenn sie im Wahlkampf auftaucht, dann ist das nicht mehr länger ein Höhepunkt, fürchte ich.“

Clarkes Anhänger warnen, dass sie bei einem Sieg von Duncan Smith die Partei verlassen würden, sollte er seine Politik nicht ändern. Duncan Smith habe sechs Monate Zeit, sich von Thatcher, Tebbit und dem Konservatismus á la George W. Bush zu distanzieren, sagte ein moderater Tory: „Wenn er das nicht tut, kann die Situation eintreten, dass wir keine andere Wahl haben, als unsere eigene Partei zu gründen“. RALF SOTSCHECK

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen