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Stammzellen reparieren Herz

In Düsseldorf konnte erstmals eine Patient erfolgreich mit adulten Stammzellen behandelt werden. Mediziner sprechen bereits von einem Durchbruch in der Forschung. Sind die umstrittenen embryonalen Stammzellen überhaupt notwendig?

von WOLFGANG LÖHR

An der Universitätsklinik Düsseldorf ist nach einem Herzinfarkt erstmals weltweit eine Stammzelltherapie erfolgreich durchgeführt worden. Dem Patienten wurden körpereigene, so genannte adulte Stammzellen übertragen. Innerhalb von zehn Wochen soll sich die Herzfunktion deutlich verbessert haben. Das berichtet Professor Bodo Eckehard Strauer von der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie in der neuesten Ausgabe der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (DMW).

Im März schon hatte der 46-jährige Patient einen schweren Herzinfarkt, bei dem große Teile der Herzmuskelwand zerstört wurden. „Vier Tage später entnahmen ihm die Ärzte in örtlicher Betäubung Knochenmark mittels der üblichen Beckenkammpunktion“, heißt es in einer Mitteilung der DMW. Die darin enthaltenen Stammzellen wurden dann außerhalb des Körpers konzentriert und am nächsten Tag über die den Herzinfarkt versorgende Arterie direkt in das Infarktgebiet gespritzt. Dies sei im Prinzip nichts anderes als eine „modifizierte Eigenblutbehandlung“.

Noch wissen die Ärzte nicht genau, wie es zu dem Heilungsprozess gekommen ist. Vermutet wird, dass sich die Stammzellen in Herzmuskelzellen verwandelt haben und so zum Wiederaufbau der Herzwand beigetragen haben. Beweisen können sie es nicht, da nach der Behandlung keine Gewebeproben entnommen wurden. Sollte die Vermutung jedoch bestätigt werden und auch spätere Komplikationen ausbleiben, wäre es ein Durchbruch in der Forschung mit adulten Stammzellen.

Derzeit wird weltweit darüber gestritten, welche Stammzellen besser geeignet sind für eine klinische Anwendung. So sieht die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Notwendigkeit, vergleichende Studien mit adulten und den ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen durchzuführen. Sie möchte gerne ein Forschungsvorhaben mit importierten embryonalen Stammzellen an der Universität Bonn fördern. Und Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn sprach sich vor kurzem sogar dafür aus, dass es in Deutschland zulässig sein müsse, eigene Stammzelllinien aus Embryonen herzustellen.

Dabei ist noch völlig ungeklärt, ob das Potenzial von Stammzellen, die aus dem Körper eines Erwachsenen isoliert werden – die so genannten adulten Stammzellen – für die Therapie von Herzerkrankungen, Parkinson, Alzheimer oder anderen Nervenleiden nicht genauso gut geeignet sind. Der Vorteil: Es müssten keine Embryonen zur Herstellung der Stammzelllinien vernichtet werden.

Schon bevor die Düsseldorfer Ärzte ihren Heilversuch mit den Stammzellen durchführten, hatten verschiedene Forscherteams in Tierexperimenten gezeigt, dass Stammzellen aus dem Knochenmark zerstörtes Gewebe ersetzen kann. So konnten menschliche Zellen bei Ratten im Herzen neue Adern bilden. Kanadische Forscher zeigten schon Ende letzten Jahres, dass Stammzellen aus dem Rückenmark zur Stärkung kranker Herzmuskeln beitragen können. Diese Versuche wurden ebenfalls an Ratten durchgeführt.

Schwedischen Forschern gelang es gar, adulte Stammzellen aus dem Gehirn erwachsener Mäuse in Zellen von Herz, Leber Nieren oder Nerven umzuwandeln. Die Umwandlung war jeweils abhängig von dem Organ, in das sie verpflanzt wurden.

Noch steckt die Stammzellforschung in den Kinderschuhen. Sie wird sicherlich noch mit einigen Überraschungen aufwarten können. Das Ergebnis aus Düsseldorf jedenfalls spricht dafür, die Forschung mit adulten Stammzellen voranzutreiben.

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