: Inszeniertes Säbelrasseln in Zentralamerika
In El Salvador, Honduras und Nicaragua werden bilaterale Konflikte geschürt, um von anderen Problemen abzulenken. Das ging schon mal schief
SAN SALVADOR taz ■ Fast immer, wenn es in Zentralamerika etwas zu vertuschen gibt, wird eine militärische Krise inszeniert. Und weil es derzeit ziemlich viel zu vertuschen gibt, schwelt es gleich an zwei Fronten: Zwischen El Salvador und Honduras und zwischen Honduras und Nicaragua. Der Anlass für das Säbelrasseln ist beide Male lächerlich. Im Fall von Honduras und Nicaragua ist es das bloße Gerücht, Honduras bereite einen Überraschungsangriff vor. Und im Fall von Honduras und El Salvador sind es zwei salvadorianische Diplomaten, die in Tegucigalpa beim Spionieren ertappt wurden.
Die Konsequenzen sind bedenklich: Truppenmobilisierungen an beiden Grenzen. Die salvadorianische Armee hat sogar Reservisten in die Kaserne gerufen. So etwas kann leicht ins Auge gehen. Wie 1969, als die Regierungen von Honduras und El Salvador von internen Problemen ablenken wollten und so lange nationalistische Kriegsstimmung schürten, bis es tatsächlich krachte. Ein Länderspiel reichte aus, um den so genannten Fußballkrieg auszulösen.
Auch heute werden die Nachbarschaftskonflikte gezielt geschürt, um andere Probleme in den Hintergrund zu rücken. In Honduras leben noch immer zehntausende Opfer des Wirbelsturms „Mitch“ (Ende 1998) in Notunterkünften. Armut und Straßenkriminalität haben erheblich zugenommen. Entführungen und Schießereien sind an der Tagesordnung. Dazu kommen Streiks im Gesundheits- und Bildungswesen. Und nicht zuletzt die Hungersnot, von der in Honduras mehr als 700.000 Menschen betroffen sind.
Auch im Osten El Salvadors hungern 400.000 Menschen. Für die mehr als als eine Million Obdachlosen der Erdbebenserie vom Anfang des Jahres wurden bislang nicht viel mehr als Blechhütten gebaut. Die Exportwirtschaft leidet unter der Konjunkturflaute in den USA. Die Kaffeeproduktion steckt seit Monaten in der Krise. Und die Entführerbanden schrecken nicht einmal mehr vor Priestern zurück.
In Nicaragua hat Präsident Arnoldo Alemán die Hungersnot lange geleugnet. Erst jetzt gestand er ein, dass es sie gibt, und bat um internationale Spenden. Und zwar „besser Bargeld als Körner“. Die Nicaraguaner verstehen das. Bargeld lässt sich leichter abzweigen. Was Korruption angeht, stellt Alemán seine zentralamerikanischen Kollegen weit in den Schatten.
Den Militärs in allen drei Ländern kommen die Konflikte gerade recht. Seit Ende der Bürgerkriege wurde die Wehrpflicht abgeschafft, die Armeen wurden reduziert, die Etats beschnitten. Damit schwand ihr politischer Einfluss. Jetzt können sie zeigen, dass sie noch nötig sind.
In Nicaragua und in Honduras wird im November ein neuer Präsident gewählt. In beiden Ländern liegt der Oppositionskandidat vorn. Das macht die Mischung noch explosiver: Drei Länder, die wegen ihrer sozialen Konflikte ohnehin schon Pulverfässer sind. Zwei Regierungen am Rand einer Niederlage. Drei Armeen, die etwas vom früheren Einfluss zurückgewinnen wollen. Da können hochgespielte Konflikte schnell außer Kontrolle geraten. TONI KEPPELER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen