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Zäpfchen mit Chip

Arzneimittelpass soll Pflicht werden. Ausnahmen im Einzelfall. Datenschützer warnt vor Datei. Ärzte wollen „elektronisches Rezept“

BERLIN dpa ■ Der elektronische Arzneimittelpass für Patienten soll als Pflichtdokument noch vor der Bundestagswahl 2002 kommen. Patienten könnte aber im Einzelfall zugestanden werden, sich von der Passpflicht befreien zu lassen. Dies bestätigte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums gestern. Datenschützer warnten erneut vor der obligatorischen Chipkarte, auf der medizinische Diagnosen und Medikamente zentral gespeichert werden. Dagegen gehen Ärzten und Krankenkassen die Pläne von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nicht weit genug. Sie forderten anstatt eines Passes sogar ein „elektronisches Rezept“.

Gesundheits-Staatssekretär Klaus Theo Schröder hatte der Mitteldeutschen Zeitung gesagt, es werde auf einen obligatorischen Pass für Ärzte, Apotheker und Patienten hinauslaufen. Es werde aber geprüft, Patienten von dem Pflichtpass zu befreien, wenn sie ihn nicht wollten. „Man muss sich dann aber im Klaren darüber sein, dass man selbst die Verantwortung für mögliche Risiken bei Arzneikombinationen trägt“, so Schröder.

Bundesgesundheitsministerin Schmidt hatte sich vorige Woche als Konsequenz aus der Affäre um den Cholesterinsenker Lipobay mit Vertretern von Ärzten und Apothekern auf die Bildung einer „Ad-hoc-Arbeitsgruppe“ zum elektronischen Arzneimittelpass verständigt. Dieser soll einen möglichst lückenlosen Überblick über die Medikamententherapie eines Patienten bieten und so das Risiko unerwünschter Wechselwirkungen mit anderen Mitteln mindern.

Im DeutschlandRadio sagte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Joachim Jacob: „In der Bundesrepublik sind weit über achtzig Prozent der Mitbürger gesetzlich krankenversichert, und diese fänden sich dann in einer riesigen zentralen Datei wieder.“ Der Pass müsse vielmehr freiwillig sein. Der Patient solle frei darüber entscheiden können, welche Informationen auf die Karte kommen und ob er den Pass einsetzen wolle.

Dagegen plädierte die Vizevorsitzende der Bundesärztekammer, Ursula Auerswald, im InfoRadio Berlin Brandenburg sogar für die Einführung eines „elektronischen Rezepts“. Über eine bundesweite Datenbank könnten die Medikamentendaten eingegeben werden.

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