„Liebe taz...“ Verweigerer: wie bei den Taliban

Betr.: „Weggesperrt beim Bund“, taz-bremen vom 21.08.2001

Es ist kaum zu glauben, aber eine schreckliche Wahrheit: Seit dem 2. Juli wird ein Mensch Tag und Nacht in einer winzigen Zelle bei tagsüber hochgeklappter Pritsche gefangeng ehalten.

Nicht etwa, weil er ein Schwerstverbrecher sei. Er befindet sich auch nicht als Geisel bei den Taliban oder in schwer zugänglichen Gebieten in Kolumbien oder in Händen sonstiger Bösewichter in Urwäldern und Sümpfen, sondern ganz in unserer Nähe - in der Kaserne Schwanewede!

Kai S. wird dort seit Wochen mit Einzelhaft gequält, weil er Zwangsdienste ablehnt. Das reicht einer Kasernenleitung zu einer solchen Tat.

Wo bleibt der Wehrbeauftrage, wo sind die Zivilkräfte und Psychotherapeuten, die Kai S. befreien und sich um die anscheinend von einem Kasernensyndrom befallenen Verantwortlichen kümmern?

Es ist für eine Zivilgesellschaft gefährlich, wenn Soldaten/innen nicht mehr in der Lage sind, ihren Beruf wie jeden anderen zu verstehen und sich individuelles, ziviles, soziales Handeln außerhalb ihrer Befehlsgewalt und Kontrolle, die beim jetzigen Wehr- und Zivildienst besteht, vorstellen können.

Dem Fabrikdirektor wird aus gutem Grund auch nicht erlaubt, ArbeitnehmerInnen, die keine Lust zu der von ihm angebotenen Arbeit haben, anstatt zu entlassen in Eigenjustiz einzukerkern.

Wer kommt für die gesundheitlichen und die psychischen Schäden von Kai S. später auf?

Es darf nicht heißen: Wehr- und Pflichtdienste für alle, sonst wird ganz Deutschland bald eine große Kaserne. Dagegen sollten sich mündige Bürger-innen mit allen demokratischen Mittel wehren.

Ingrid Franke