: Verheerende Wirkung
betr.: „Kleiner Schaden oder Rücktritt“ (CDU Berlin), taz vom 24. 8. 01
Mit Mühe habe ich heute Morgen mein Gesicht wieder aus der Kaffeetasse gezogen, nachdem ich von euch erfahren musste: Rassistische Parolen seien „Jugendsünden“ und nach der Karriere in einer Volkspartei könne besagter Politiker erklären, „wann er Irrtümer eingesehen und Einsichten gewonnen hat“. Wo wir doch spätestens seit der Debatte über die Leitkultur wissen, dass die Mitgliedschaft in einer großen Partei leider noch nicht automatisch gegen Vorurteile immunisiert. ANJA MIKLER
Es ist ja schon schlimm genug, wenn Frank Steffel in seinen Jugendjahren tatsächlich rassistische Sprüche geklopft hat, wie es Max berichtet. Und dass er nun dementiert, relativiert und eine sozialdemokratische Verschwörung wittert, macht die Sache auch nicht besser, sondern gehört wohl eher zum üblich miesen politischen Stil in Wahlkämpfen. Das eigentliche Problem aber liegt aus meiner Sicht woanders: nämlich, dass es für ihn offenbar auch im Rückblick „normal“ ist, dass er von „Negern“, „Bimbos“, „Mongos“, „Kommunistenschlampen“ oder „scheiß Ausländern“ geredet hat. Wer das nicht so sieht, ist nach Steffel entweder „katholisch“ oder ein „Pharisäer“. Als Angehöriger derselben (West-)Generation kann ich dazu nur sagen: Es war eben nicht so, dass „ein normaler junger Mensch“ derartiges Zeug von sich gab. Im Gegenteil. Es war eine kleine Minderheit, zumal an Gymnasien und an Universitäten. Für den überwiegenden Teil der SchülerInnen und StudentInnen, die ich erlebt habe, war es stattdessen völlig normal, dass mehr und mehr junge Leute anderer Herkunft und Hautfarbe in der Bundesrepublik leben und lernen. Mit dem Versuch, seine eigenen rassistischen Entgleisungen zu normalisieren, diffamiert Steffel einen Großteil seiner Generation. Sie war ihm in diesen Fragen nämlich bereits meilenweit voraus. Dazu kommt die verheerende Wirkung, die ein derart unverantwortlicher und uneinsichtiger Umgang mit Alltagsrassismus in der gegenwärtigen Situation hat. Wie soll man eigentlich jungen Leuten erklären, wie widerwärtig und gesellschaftszersetzend rechte und rassistische Vorurteile und Parolen sind, wenn gleichzeitig der Berliner Bürgermeisterkandidat der CDU meint, ein „normaler junger Mensch“ sei halt so, klopfe halt solche Sprüche? Von dem Signal, dass damit an Nicht-Deutsche und Behinderte gegeben wurde, mal ganz zu schweigen.
Frank Steffel täte gut daran, sich sofort und unmissverständlich von seinen Jugendentgleisungen zu distanzieren. [...] Ansonsten bliebe jedenfalls nur eins: Ein derart gestrickter Politiker darf nicht den Hauch einer Chance bekommen, Bürgermeister der Metropole Berlin zu werden. Er darf eigentlich überhaupt keine politische Verantwortung mehr tragen.
CARSTEN HÜBNER, MdB-PDS, Berlin
Nach der Persistenzthese der Psychologen werden Grundeinstellungen schon in jungen Jahren geprägt und zeitlebens nicht mehr abgelegt. Mit dieser These wird hier in Tegel zahlreichen Gefangenen, so sie denn überhaupt in den Genuss einer Prüfung kommen, eine Lockerungserprobung und damit ein Schritt in Richtung Resozialisierung verweigert. Wie steht es in diesem Zusammenhang mit den Grundeinstellungen des Herrn Dr. Steffel, wäre hier zu fragen. – Mehr Härte, meine Herrn von der CDU. [...]
KLAUS-JÜRGEN FRUHNER, Berlin
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