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Keine Insel der Seligen an der FU

Projekttutorien gelten als Muster studentischer Autonomie. An der Freien Universität sind sie in Gefahr

Sie gelten als Musterbeispiele studentischer Eigeninitiative: Die vor zehn Jahren im UniMUT-Streik 1988 erkämpften Projekttutorien. Anstelle von Dozenten und Professoren werden sie von Studenten konzipiert und geleitet. Deren thematische Bandbreite umfasst alle Fachbereiche – von „Ökocontrolling“ über das von deutschen, polnischen und tschechischen Studenten initiierte Zeitungsprojekt „Protki“ bis hin zu einer intensiven Studie von „popular culture“ anhand der beliebten Vorabend-TV-Serie „Die Simpsons“. Als Musterbeispiel gilt auch der „Reformstudiengang Medizin“ an der Humboldt-Universität, der aus einem Projekttutorium an der Freien Universität entstand.

Jetzt gefährden Sparmaßnahmen an der FU den Fortbestand der Projekttutorien. Deren Zahl ist seit 1990, als knapp 70 Projekte zur Auswahl standen, auf gerade einmal 21 im vergangenen Semester geschrumpft.

Jetzt droht auch den verbliebenen Projekten das Aus: Bei der letzten Sitzung des Akademischen Senats Mitte Juli verkündete FU-Präsident Peter Gaethgens einen „allgemeinen Kassensturz“ an der Universität, da die neuen Hochschulverträge weitere Einsparungen notwendig machen würden. Die Folge: Eine Entscheidung über 20 neue Projekttutorien im kommenden Semester wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

„Damit soll das gesamte Programm auf Eis gelegt werden“, fürchtet Anja Augustin von der Koordinationstelle der Projekttutorien. Mit den knapp 500.000 Mark, die das Gesamtprogramm koste, könne kaum ein Spareffekt begründet werden. Detailliert rechnet Augustin vor, dass die insgesamt 40 studentischen Tutoren für zehn wöchentliche Arbeitsstunden einen Nettolohn von 750 Mark erhalten. Zudem bekommt jedes Projekt rund 250 Mark für Sachmittel.

Die Weigerung des FU-Präsidiums, den Empfehlungen einer eigens für die Auswahl der Projektutorien eingerichteten Kommission aus Professoren, Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern zu folgen, habe alle überrascht. „Schließlich geht es für die Jahre 2001 und 2002 noch um Mittel aus dem bereits bewilligten Haushalt“, so Augustin. Da könne nicht mit Sparzwängen aus den neuen Hochschulverträgen argumentiert werden. Verärgerung habe auch die Ankündigung des Hochschulpräsidiums ausgelöst, die Entscheidung über die Projekttutorien könne auch ohne Zustimmung des Akademischen Senats getroffen werden.

Anja Augustin wartet jetzt auf die für Donnerstag anberaumte Sitzung des FU-Präsidiums, wo nach Informationen des AstA das Schicksal der Projekttutorien debattiert werden soll. Uwe Nef, Pressesprecher der FU, verwies jedoch darauf, dass noch keine Tagesordnung für die Sitzung bekannt sei. Die FU versuche zwar, die Tutorien als „innovative Idee zu retten“, so Nef. Diese könnten in Zeiten allgemeinen Sparzwangs jedoch nicht „auf einer Insel der Seligen immerwährenden Bestandsschutz erwarten“.

Dagegen vermuten Ver.di und AstA, dass die Projekttutorien dem konservativen Lager an der FU schon lange ein Dorn im Auge sind. „An der Humboldt-Uni und der Technischen Universität sind die Projekttutorien schon längst bewilligt“, sagt Anja Augustin.

HEIKE KLEFFNER

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