IN MAZEDONIEN MÜSSTE DIE UNO EINGREIFEN – UND DIES MILITÄRISCH
: Einsatzlüge „Entwaffnung“

Nachdem sich gestern auch die CDU/CSU dem Totschlagargument von der Bündnissolidarität ergeben hat, wird der Deutsche Bundestag heute mit breiter Mehrheit der deutschen Beteiligung an der Nato-Mission in Mazedonien (MFOR) zustimmen; obwohl alle guten Gründe gegen diese Mission sprechen – sie ist unnötig und könnte längerfristig statt zu einer Befriedung sogar zu einer Verschärfung der Lage in der Einsatzregion beitragen.

„Entwaffnung der UÇK“ – mit diesem öffentlichen Ziel der Mission werden heute Vertreter aller Fraktionen mit Ausnahme der PDS ihre Zustimmung begründen. Gegen eine „Entwaffnung der UÇK“ ließe sich nichts einwenden – wenn sie tatsächlich das Ziel der Nato-Mission wäre. Doch das ist nicht der Fall. Die Nato will erklärtermaßen lediglich einen kleinen Teil der UÇK-Waffen einsammeln – minimal 4 Prozent und maximal 30 Prozent, je nachdem, ob man die Angaben westlicher Rüstungsforscher oder der mazedonischen Regierung über die Rüstungsvorräte der UÇK zur Grundlage nimmt. Die Kriegführungsfähigkeit der UÇK wird – wenn überhaupt – also nur leicht eingeschränkt. Zudem wurde die Beschaffung neuer Waffen zu einem späteren Zeitpunkt oder gar parallel zur „Entwaffnungs“-Mission in keiner Vereinbarung ausgeschlossen, die Nato, UÇK und mazedonische Regierung getroffen haben.

Der unzureichende Auftrag für die MFOR ist der entscheidende Einwand gegen die Mission – weniger die Befürchtung, die Nato könnte in einen Krieg rutschen oder ihn sogar anstreben. Doch selbst mit einem weiter reichenden Mandat wäre die Nato ungeeignet für einen Mazedonien-Einsatz: Angesichts der ganzen Vorgeschichte ihres Engagements in Exjugoslawien und wegen der zunehmend deutlichen Differenzen zwischen den USA und den Europäern ist die Allianz der falsche Schlichter und wird den Frieden in Mazedonien nicht retten können.

UNO und OSZE wären als Akteure sehr viel geeigneter, die Konflikte zu bearbeiten und zu lösen. Dies gilt nicht nur für den dringend erforderlichen Einsatz ziviler Instrumente, sondern auch für die Anwendung militärischer Mittel. Eine bewaffnete internationale Einmischung ist leider nicht mehr verzichtbar angesichts der Eskalation des Mazedonien-Konflikts in den letzten Monaten und der akuten Bedrohung für viele BewohnerInnen des Landes. Aber UNO und OSZE stehen aktuell nicht zur Verfügung – gerade weil dies vor allem in den Hauptstädten der Nato-Staaten politisch nicht gewollt war. Das ist ein erhebliches Dilemma. Doch deswegen der Mission „Essential Harvest“ zuzustimmen ist der denkbar schlechteste Ausweg.

ANDREAS ZUMACH