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Shakespeare als schlaues Gewitter inszeniert

■ Die italienische Theatergruppe Fanny & Alexander mit zwei Romeo und Julia-Versionen auf Kampnagel

Es donnert und blitzt über den engen Gassen Veronas. Die Windschläge des aufziehenden Gewitters haben die meisten Straßenlaternen gelöscht. In einem nahe liegenden Hof, unter einem Balkon, flüstert sich das wohl berühmteste Liebespaar der Welt seinem tragischen Ende entgegen.

Fanny & Alexander, die shooting stars der jungen italienischen Theaterszene, beginnen in ihrer Inszenierung Romeo and Juliet – Storia infelice di due amanti Shakespeares Stück dort, wo die Tragödie unweigerlich ihren Lauf nimmt. Alle sanften Liebesschwüre sind schon gesagt. Politische Überlegungen und Standesdenken vergiften schon den aufgeflammten Honeymoon.

Das Bühnenbild von Fanny & Alexander ist in zwei Hälften geteilt. In einem fast dunklen, manchmal von Lichtblitzen durchflackerten Raum spielt sich zwischen umherschweifenden kleinen Kätzchen der Höhepunkt und das Ende von Shakespeares Liebestragödie ab. Der unsichtbare, große technische Aufbau aus Laserverfolgern, Stimmodulatoren, Hallgeräten und Gewittermaschinen erzeugt das dunkle Gefühl, tatsächlich im Verona des ausgehenden 16. Jahrhunderts zu sein.

Manchmal tritt einer de Darsteller durch eine Tür, in die parallele andere Hälfte des Bühnenbildes, wo der zweite Teil der Zuschauer sitzt und einem theoretischen Hintergrund-Hörspiel lauscht. Nach einer Stunde fällt die trennende Ziegelmauer in sich zusammen, der Raum öffnet sich, und die Zuschauer tauschen ihre Position.

In gewisser Weise sind Fanny & Alexander Schüler der inzwischen etablierten Barock-Theater-Gruppe Societas Raffaello Sanzio, die schon mehrmals Gäste des Hamburger Sommertheaters waren. Nur verzichten Fanny & Alexander völlig auf eine ausgestellte Regiehandschrift und präsentieren ihre Stücke als Ensemblearbeit.

Die neue Kampnagelchefin Gordana Vnuk zählt die jungen Italiener zur dritten Generation des ikonoklastischen Theaters. Ein Terminus, der den Kampnagel-Zuschauern künftig öfter begegnen wird. In Anlehung an Deleuze & Guattaris Anti Ödipus stellt eine ikonoklastische Inszenierungsart nicht die Frage an das Theater, „was es bedeutet“, sondern „wie es funktioniert“. Wenn es zeitgenössisches Stadttheater schaffen würde, so atmos-phärische, dichte und schlaue Inszenierungen hinzubekommen, würden die Diskussionen über Generation, Pop-Theater und Dekonstruktion obsolet werden.

Fanny & Alexander zeigen darüber hinaus eine zweite Version des Stückes: Romeo e Giulietta – et ultra, eine Koproduktion mit der Bienale Venedig. Darin diskutiert das Theaterensemble die verschiedenen Möglichkeiten, die Tragödie zu inszenieren und aus verschiedenen Formen, Stilen und Figuren einen Gedankenkatalog zu Shakes-peares Stück zu entwerfen.

Nikola Duric

Fanny & Alexander: Performance 1: 2.+3.9., 19.30 Uhr. Performance 2: 5.+6.9., 20 Uhr, Kampnagel

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