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Selbstbewusst übermenschlich

Berlin-Beta-Filmfest, die Erste: Asia Argentos Debütfilm „Scarlet Diva“ ist großes amerikanisches Independent-Kino

Es ist an der Zeit, endlich über Asia Argento zu sprechen. Asia Superstar. Keiner weiß genau, wie sie es mit nur 25 Jahren ohne einen nennenswerten Film so weit gebracht hat, aber ihre bloße Erscheinung verschlägt einem schier die Sprache. Ernst tritt sie auf, mit einer gefassten Insichgekehrtheit, aber gleichzeitig auch mit der faszinierenden Selbstsicherheit, dass das, was sie will, auch immer passiert. Weil sie es will. Und weil sie Asia Argento ist. Ihre ersten Rollen hatte sie in den Filmen ihres Vaters Dario; kleine, wunderschön ausgeleuchtete Horrofilme wie „The Church“ oder „Das Stendhal Syndrom“, in der sie ihre enigmatische Veranlagung mit kindlicher Unschuld ausspielte. Heute wird sie in Amerika längst als neuer Indie-Superstar gehandelt, der in Abel Ferraras „New Rose Hotel“ alle an die Wand spielte, von Christopher Walken bis Willem Dafoe.

Das Beta-Filmfestival zeigt jetzt Asia Argentos Debütfilm „Scarlet Diva“, und er ist ein kleines Ereignis. Ein Film, wie es wohl nur noch das Independent-Kino hervorbringen kann. Ein größenwahnsinniges Hirngespinst, das das übergroße Ego seines Stars nicht im Ansatz zu verbergen versucht. Ein Asia-Argento-Fetischobjekt mit echtem Herzblut und beispiellosem Wahn auf Zelluloid gebannt wie einen Kontrakt fürs Leben. Nicht Lynch und auch nicht Ferrara, sondern grenzenlos offen, subjektiv und verletztlich. Asia Argento schickt ihr Alter Ego Scarlet Diva durch eine hoffnungslose Welt, zu der sie bereits jeglichen Bezug verloren hat. Auf der Suche nach sich selbst und Liebe und all den Banalitäten, die das Leben irgendwie ausmachen, verschlägt es sie von Rom nach Paris nach Amsterdam nach Los Angeles. Sie wird erniedrigt, ausgenutzt, beinah vergewaltigt, sie nutzt aus, bedient sich, verstößt. Ihre emotionale Unmittelbarkeit ist wie eine Waffe, die sie gegen den Zuschauer in Anschlag bringt, um ihn in dieses Delirium aus Drogen und Gewalt und Sex zu ziehen. Und dann schaut sie wieder ganz kurz ganz traurig wie Maria Falconetti in Dreyers „Die Passion der Jeanne d’Arc“ in die Kamera. Eine Selbst-Ikonisierung zwischen Heiliger und Hure. Asias Debüt ist voller großer Momente emotionaler und filmischer Hilflosigkeit und dabei unglaublich fulminant. Ein frühes, eigenes Denkmal, ein schwermütiger Blick voll übermenschlichem Selbstbewusstsein. ANDREAS BUSCHE

30. 8. Hackesche Höfe, 22.15 Uhr; 2. 9. Blow Up, 18 Uhr; 4. 9. Babylon Mitte, 22.15 Uhr

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