: Selber verunsichert
■ Wie wirkt Ritalin bei gesunden Kindern? Esperten stritten auf Fachtagung
Ein betroffener Großvater und fünf Fachärzte auf dem Podium: Mit geballter Kompetenz meldete sich der „Arbeitskreis ADS/ADHS“ gestern im Ritalin-Streit zu Wort. Die bisherige Debatte sei „sehr emotional“ und führe zur Verunsicherung von Eltern und Lehrern, hieß es auf der Einladung der Agentur Gianni & Meissner, die zum „Pressegespräch“ ins Steigerberger lud. Dem Termin voraus ging ein kleiner Eklat. Weil bekannt wurde, dass der Pharma-Konzern „Lilly“, der ein Konkurrenz-Medikament zu Ritalin auf den Markt bringen will, den Arbeitskreis sponsort, zog die Schulbehörde ihre Teilnahme zurück.
Die verbliebenen Experten waren keineswegs auf einer Linie. So vertrat Kirsten Stollhoff, Ärztin am „Institut Lagenstein“, die Ansicht, dass Ritalin nur bei Kindern mit dem Auffälligkeits-Syndrom ADS wirke. Das Aufputschmittel wirke bei allen Kindern dämpfend, hielt der Sprecher der Hamburger Kinderpsychiater, Tobias Wiencke, dagegen: „Das ist Erfahrung aus meiner Praxis.“ Da kämen auch Kinder, die das Medikament nehmen und kein ADS haben.
Es müsse, da waren alle einig, mehr diagnostische Kapazitäten die geschätzten 10.000-ADS-Kinder in Hamburg geben. Kinderarzt-Chef Michael Zinke hat bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Zusage erreicht, dass normale Kinderärzte - sofern sie sich fortbilden - die Diagnose abrechnen dürfen. Damit dabei Fehler vermieden werden, soll es strenge Qualitätsstandards geben. Auch hier bremste Wiencke: „Die Kinder- und Jugendpsychiater wurden zu Qualitätsstandards noch nicht befragt.“ Irene Ehmke vom „Büro für Suchtprävention“ warnte als Besucherin des Treffens davor, dass die frühe Einnahme von Psychopharmaka die “Hemmschwelle“ gegenüber anderen Psycho-Substanzen senke. kai
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