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„Eine alte Klamotte“

Im September liefert die Firma Solo die ersten Stirling-Motoren als Serienfertigung aus. Er arbeitet effizient und sauber und ist zudem vielseitig einsetzbar. Patentiert wurde die Technik vor 185 Jahren

Nur selten spricht ein Produktmanager so über sein neuestes Fabrikat wie Edgar Schmieder: „Das ist eine ganz alte Klamotte.“ Anders kann man es wirklich nicht sagen. Es war im Jahre 1816, als der schottische Pfarrer Robert Stirling einen Motor patentieren ließ, der seine Energie aus jedem beliebigen heißen Medium beziehen kann. In den folgenden 185 Jahren werkelten unzählige Tüftler immer mal wieder an dem Stirling-Motor herum, und auch manche große Firma nahm sich im 20. Jahrhundert der Maschine an. Doch wirklich durchschlagenden Erfolg in der Praxis hatte niemand; alle Projekte dümpelten vor sich hin.

Jetzt will die Firma Solo Kleinmotoren GmbH im württembergischen Sindelfingen – als Hersteller von Rasenmähern, Kettensägen und Hochdruckspritzen bekannt – dem Stirling-Motor zum Durchbruch verhelfen. Das Familienunternehmen hat ihn in den vergangenen Jahren zur Marktreife entwickelt und will in diesen Wochen die ersten Exemplare ausliefern. Nach eigenen Angaben ist Solo damit der erste Hersteller weltweit, der mit dem Stirling-Motor in Serie geht. 40 Exemplare will das Unternehmen noch in diesem Jahr verkaufen, einige Tausend pro Jahr sollen es in nicht allzu ferner Zukunft werden. Produktmanager Schmieder sieht sich durch Marktstudien bestätigt: „In Deutschland gibt es ein Potenzial von 50.000 Stirling-Maschinen pro Jahr.“

Schon lange gilt der Stirling-Motor als ein Hoffnungsträger beim ökologischen Umbau der Stromwirtschaft. Denn er arbeitet effizient und sauber und ist zudem vielseitig einsetzbar. Der Stirling von Solo wird nach Firmenangaben einen Gesamtwirkungsgrad von 90 Prozent erreichen, bei einer elektrischen Leistung von 2 bis 9 Kilowatt und einer thermischen Leistung zwischen 8 und 24 Kilowatt.

Besonders in unteren Leistungsklassen sei der Stirling dem klassischen Blockheizkraftwerk (BHKW) auf Basis eines Otto- oder Dieselmotors überlegen, sagt Andreas Baumüller, Manager in der Entwicklungsabteilung bei Solo: „Selbst Anlagen mit nur einem Kilowatt elektrischer Leistung sind mit dem Stirling problemlos realisierbar.“ Denn anders als die BHKW mit Verbrennungsmotor erziele der Stirling auch im Kleinstmaßstab beste Abgaswerte. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass im Stirling-Motor keine periodische Zündung eines Brennstoff-Luft-Gemisches stattfindet, sondern – sofern man die Wärme überhaupt über einen Brenner zuführt – der Brennstoff kontinuierlich umgesetzt wird. Dieser Prozess kann in Form einer flammenlosen Oxidation ablaufen.

Einen weiteren Vorteil des Stirling-Motors sieht Entwickler Baumüller in der Wartungsfreundlichkeit. Denn der Motor brauche kein Öl zur Schmierung und erreiche eine Laufzeit von 5.000 bis 8.000 Stunden pro Wartungsintervall. Das hängt damit zusammen, dass die Maschine geschlossen ist und ihr Inneres damit, anders als bei klassischen Verbrennungsmotoren, frei bleibt von aggressiven Verbrennungsrückständen.

Schon kündigt Baumüller die nächsten Schritte der Stirling-Zukunft an: Im Jahre 2003 werde Solo den innovativen Motor auch für die Biomassefeuerung anbieten – anfangs nur für Holzpellets, später auch für Holzhackschnitzel. Als Nächstes stehe dann die Entwicklung eines biogasbetriebenen Stirlings an.

Die Kosten eines Stirling-Motors werden auch bei künftiger Serienfertigung noch „etwas höher ausfallen als bei derzeit marktüblichen BHKW“, sagt Baumüller. Doch würden diese Mehrkosten durch die höhere Betriebssicherheit amortisiert.

Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ist der Stirling aber ebenso wenig wirtschaftlich zu betreiben wie die meisten Klein-BHKW. Daher setzt Solo auch aus ökonomischen Gründen auf die Biomasse-Variante: Diese wird unter das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fallen und somit bei der Einspeisevergütung nicht mehr vom Gutdünken der örtlichen Netzbetreiber abhängig sein. „Mit EEG wird der Stirling wirtschaftlich“, heißt es im Hause Solo.

Gemeinsam mit der Brennstoffzelle werde der Stirling-Motor dann die Umstrukturierung der Energiewirtschaft vollziehen, prophezeit Produktmanager Schmieder. Eine Vielzahl dezentral aufgestellter Kleinkraftwerke werde künftig zu „virtuellen Kraftwerken“ verschaltet, die von den Stromversorgern je nach Strombedarf gesteuert werden können.

Stirling-Motor und Brennstoffzelle haben somit einige Gemeinsamkeiten – nicht zuletzt auch in ihrer Geschichte. Denn auch das Prinzip der Brennstoffzelle wurde schon sehr früh erfunden und erst sehr spät technisch nutzbar gemacht. Die Zelle wurde im Jahre 1839 entdeckt, um dann nach mehr als 150 Jahren zur großen Vision zu werden.

Ein großer Unterschied besteht jedoch zwischen den beiden historischen Technologien. Die Brennstoffzelle, sagt Schmieder, verursache zurzeit durch die intensive Forschung „den größten Kapitalfluss, den in der Geschichte der Menschheit jemals eine einzelne Technologie erlebt hat“. Dem Stirling hingegen reichte die Entwicklungsabteilung einer mittelständischen Firma. BERNWARD JANZING

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