: On the road again
Berlin-Beta-Filmfest, die Vierte. Aus der Besserungsanstalt auf dem Weg zum Diner, wo Mom arbeitet: Bullenblaulichter und zwei Dreamcatcher unterwegs auf dem Highway
„Don’t you think, we could end up together?“, fragt Albert aus Ohio Freddy, den Kerl, der rechts neben ihm hinter der Resopalwand des Klos sitzt. Dann fragt der vielleicht Dreizehnjährige auch gleich noch den Typen links auf der anderen Kloschüssel um Zigaretten und einen „ride“. Albert ist nicht nur ein kleiner, abgebrühter Tramper. Albert ist aus einer „Besserungsanstalt“ abgehauen und hat eine Postkarte dabei. Darauf ist ein Diner abgebildet, in dem angeblich seine Mom arbeitet. Die würde er gern mal besuchen.
Die klaustrophobische Enge der Klozelle tauscht Albert gegen die Weite des Highways und der Landstriche. Das klingt nicht gerade neu für einen amerikanischen Film. Aber die Variante „Dream Catcher“ (Buch und Regie: Ed Radtke) lockt uns mit Bildern, mit Himmeln, mit Gitarrensound und mit Bullenblaulichtern. Die Lichter machen uns zu Motten – wir müssen mit Albert und seinem wortkargen, etwas älteren Kumpel durch das scheißgroße Land of the free hiken. Natürlich müssen die zwei dafür auch mal ein Auto „borgen“ und umsonst in einer Tankstelle einkaufen. Manchmal muss man dem rasssitischen Fahrer aufs Maul hauen, der damit prahlt, viele Girls gefickt und Schwule aufgemischt zu haben, und plötzlich mit dem Messer Benzingeld eintreiben will. Sogar die alte Kerouac-Hobomethode des Zugfahrens reanimiert Ed Radtke. Güterzüge, lang wie Schlangen, in einem Terrarium mit bösen, bissigen Tieren.
Albert ist ein quirliger Nervkopp, unberechenbar und geschaffen für den Besitz von Spielzeugpistolen, die andere für echt halten. Er geht sogar für den Diebstahl eines Glases voll Gurken aus einer Schule jedes Risiko ein. Freddy hat schon mehr hinter sich; und er hat diese Frau am Telefon, die immer fragt: „Where are you, Freddy?“ Und dann zweimal: „I need you here!“ Freddy braucht Kohle, aber seine schwangere Frau hat auch keine. „Stop calling me!“
Ampel auf Rot, überall diese amerikanischen Drahtzäune, die es so nirgends sonst gibt. Und wieder auf den Highway. Freddy und Albert werden nicht von den Bullen verfolgt – sie haben auch nicht allzu viel verbrochen. Es ist irgendwas anderes, was die jungen Leute immer weiter quer durchs Land treibt. Wenn du irgendwann ankommst und sie dich fragen, wo du herkommst oder hinwillst, sag einfach zweimal den gleichen Ortsnamen. Denn vor oder zurück gibt es gar nicht. ANDREAS BECKER
Berlin Beta mit „The Dream Catcher“. Buch und Regie: Ed Radtke. Mit Maurice Compte, Paddy Connor; 3. 9. um 22.15 Uhr im Blow Up und 4. 9., 22.30 Uhr, Hackesche Höfe
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