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Die zarteste Verführung, seit es Werbung gibt

Die Werbewirtschaft sponsert zunehmend die Restaurierung historischer Gebäude mit Gerüsthüllen – demnächst wohl auch die der Museumsinsel

Wenn ein historisches Bauwerk zerfällt und alle „Fördertöpfe“ leer sind, greifen Behörden und Einrichtungen gern auf Sponsoren zurück. Ein Unternehmen finanziert die Sanierung, darf ein Plakat ans Baugerüst hängen und damit sein öffentliches Ansehen mehren. Aktuelles und zugleich umstrittenes Beispiel ist seit letzten November die Restaurierung des Brandenburger Tores in Berlin. Für die Verhüllung des Bauwerkes zahlt die Telekom monatlich etwa 350.000 Mark in die Kasse der privaten Stiftung Denkmalschutz.

Sponsoring und Werbung gehen bei derartigen Aktionen meist Hand in Hand. Die Grenzen seien fließend, sagt der Geschäftsführer der für die Verhüllung des Wahrzeichens zuständigen Agentur DSM-Megaposter, Gerd Henrich. Bei der Telekom-Verhüllung sei mit dem wiederkehrenden Tormotiv Rücksicht auf die Besonderheit des Bauwerkes genommen worden. Das Logo der Telekom sei im Bezug auf die riesige Fläche der Plane eigentlich winzig, sagt Henrich.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz schließt mittlerweile eine ähnliche Vermarktung von Werbeflächen bei einer Restaurierung der Museumsinsel nicht mehr aus. Natürlich müsse das mit dem, was dieses Weltkulturerbe verkörpere, vereinbar sein, sagt Stiftungspräsident Klaus-Dieter Lehmann. Für die Wiederherstellung der Museumsinsel werden 2 Milliarden Mark benötigt.

Bereits in den vergangenen Jahren wurden in Berlin historische Bauwerke mit Hilfe von Sponsorengeldern saniert. Der Glockenturm der Gedächtniskirche war 1999 fünf Monate lang mit Produktwerbung umhüllt. FAZ-Reklame reihte sich dabei lückenlos in die Werbeserie zwischen den Kosmetikkonzern L’Oréal, den Getränkehersteller Evian und den Waschmittelhersteller Henkel.

Von der Marienkirche in Mitte warb im Juni vergangenen Jahres ein riesiges Werbeposter für ein Mineralwasser. Die Fläche steht derzeit leer, doch es gibt mehrere Interessenten trotz Auflagen. An dem Bauwerk dürfe nur Imagewerbung oder Werbung, die mit dem Kirchendenkmal kooperiert, angebracht werden, teilte Christiane Patitz von der zuständigen Fubac-Riesenposter GmbH mit.

Es scheint, als würde sich bei der Instandsetzung historischer Bauten ein neuer Trend durchsetzen. Doch selbst für einen guten Zweck soll das „kleine“ Logo der Sponsorfirma bemerkt werden. Der Standort muss stimmen und die Standortgüte hängt unter anderem von passierenden Fußgängern, Fahrzeuginsassen, Sichtwinkel und Sichtweite ab. Bei schlechten Kontaktzahlen würde es sich nicht lohnen, die Kosten für das Projekt zu tragen, bestätigt Henrich.

Die über 100 Jahre alte Immanuelkirche in Prenzlauer Berg bemüht sich bereits seit März, einen Sponsor für die dringend notwendige Sanierung zu finden. Obwohl ein Vertrag mit einer Megaposter-Firma abgeschlossen wurde, hat sich bisher noch kein Interessent gefunden. Wernfried Lengert vom Gemeinderat wurde mitgeteilt, dass die Lage der Kirche „nicht so optimal“ sei. Inzwischen ist die seit 1985 unter Denkmalschutz stehende Kirche bereits eingerüstet und die Instandsetzung hat begonnen. Die Gemeinde bemüht sich dennoch, einen Sponsor für die insgesamt fast 7 Millionen Mark kostenden Baumaßnahmen zu finden. Keine leichte Aufgabe in einer Stadt mit vielen attraktiven Werbestandorten.

Das Brandenburger Tor als Wahrzeichen Berlins könnte dagegen auf den ersten Plätzen einer imaginären Standortliste rangieren. Bereits jetzt hat sich die Torsanierung für die Telekom gelohnt. Mit einer solchen Sponsoraktion erregt ein Unternehmen viel mehr Aufmerksamkeit als mit einem 30-Sekunden-Fernsehwerbespot, bestätigt Christiane Patitz.

ROMY RICHTER, DDP

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