: Gastfreundlich, aber ökologisch zerstört
Die südpazifische Insel Nauru stand einst unter deutscher Kolonialverwaltung, heute ist sie Station für Flüchtlinge
Die Bereitschaft Naurus, der mit knapp 12.000 Einwohnern kleinsten Republik der Welt, einen Großteil der Flüchtlinge von Bord des norwegischen Frachters „Tampa“ aufzunehmen und damit der hartherzigen australischen Regierung aus der Patsche zu helfen, unterstreicht die traditionelle Gastfreundschaft der südpazifischen Insel. Schon der britische Kapitän John Fearn, dessen Schiff „Hunter“ 1798 auf der nur 21 Quadratkilometer großen Insel landete, nannte sie wegen der freundlichen Haltung ihrer Bewohner „Pleasant Island“ – angenehme Insel. Später bot sie gar desertierten Matrosen, Walfängern und entlaufenen Sträflingen aus den benachbarten britischen Kolonien Unterschlupf.
So freundlich die Nauruaner zu Fremden schon immer waren, so unangenehm war teilweise der Umgang der in Sippen organisierten Bevölkerung untereinander. Ein zwölfjähriger Bürgerkrieg, an dem fast alle Sippen beteiligt waren, dezimierte die Insulaner stark und konnte erst durch das Eingreifen des Deutschen Reiches beendet werden. Berlin fürchtete um den Einfluss deutscher Koprahändler und schickte das Kanonenboot „Eber“. Am 2. Oktober 1888 hisste die Besatzung die deutsche Flagge über der Insel. Wie heute in Mazedonien sollten die Deutschen schon damals Waffen einsammeln und den Bürgerkrieg beenden. Das gelang mit Hilfe des Verbots der Blutrache und des Alkohols.
Die deutsche Kolonialverwaltung unter dem Bezirksamt Jaluit (Marschall-Inseln) gab der Insel den einheimischen Namen Nauru, das 1906 Teil des „Schutzgebiets“ Deutsch-Neuguinea wurde. In die damalige Zeit fiel auch die Entdeckung des Phosphats, dessen Abbau der Insel zu Reichtum verhalf, sie aber auch ökologisch zerstörte. Eine britische Gesellschaft erhielt in der deutschen Kolonie ein Monopol auf den Abbau von Phosphat, das als Dünger für die Landwirtschaft der Region sehr wichtig wurde. Im 1. Weltkrieg besetzte denn auch Australien die Insel und wurde seitdem dort zur einflussreichsten Macht. Daran änderte auch die Unabhängigkeit nichts, die Nauru 1968 erreichte.
Heute ist die Insel noch immer von Australien wirtschaftlich und finanziell abhängig, was neben der Gastfreundschaft auch die Bereitschaft zur Aufnahme der überwiegend afghanischen Flüchtlinge von der „Tampa“ erklärt, für die Canberra zahlen will. Die durch den Phosphatabbau reich gewordenenen Nauruaner haben sich längst körperlich anstrengendes Arbeiten abgewöhnt und lassen dies von Gastarbeitern aus Tuvalu, Kiribati und den Philippinen erledigen. Arbeit im Rahmen eines so genannten Community Service Program sollen jetzt auch die Flüchtlinge von der „Tampa“, bis über deren Anerkennung als Flüchtlinge entschieden ist.
Sie können auch froh sein, wenn sie arbeiten dürfen, denn das einst schöne Eiland ist heute die reine Tristesse. Durch den Phosphatabbau wurde Nauru zur Mondlandschaft, in der fast nichts mehr wächst. Es gibt keinen Fluss und eine dürftige Vegetation nur auf einem 50 bis 300 Meter schmalen Küstenstreifen. Zwar gibt es eine Meerwasserentsalzungsanlage, doch muss noch Trinkwasser importiert werden. Seit die Phosphatquellen fast versiegt sind, versucht die Insel sich zu einem Offshore-Bankzentrum zu entwickeln. Damit hat sie vor allem windige Finanziers und Mafiosi angelockt. SVEN HANSEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen