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The Sssound of Bbb. Bbb.

Pop für verwöhnte Ohren: Bertrand Burgalat in der Fabrik  ■ Von Alexander Ebert

Was 1995 in Paris als Ein-Mann-Hinterhofprojekt anfing, wurde in den letzten Jahren zum Geheimtipp für die Fans von erstklassiger Popmusik: Das Plattenlabel „Tricatel“ und sein Gründer Bertrand Burgalat. Der gebürtige Korse begann früh, Einflüsse aus Pop, Avant-garde, Chanson und Filmmusik in seine Kompositionen einzubringen. Für etliche Bands hat er geschrieben, darunter St. Etienne, Einstürzende Neubauten, Laibach und Pulp. Wurde Burgalats Musik anfangs nicht so recht wahrgenommen, erhielt er vergangenes Jahr jedoch Unterstützung: Das Berliner Poplabel Bungalow brachte den Sampler The Genius of Bertrand Burgalat mit 19 seiner Kompositionen heraus, aufgenommen u.a. von Nick Cave, Cinnamon, Ladytron, Julien Baer und Air.

Mit letzteren ging er 1999 als Keyboarder auf eine gefeierte US-Tournee. „Unsere Herangehensweisen ähnelten sich sehr“, sagt Burgalat. „Vielleicht will ich unterbewusst eine Platte in der Art von Pet Sounds herausbringen, wogegen sie lieber eine neue Sgt. Pepper machen würden.“ Burgalats Sound spielt mit Einflüssen aus Electro-Lounge, Sixties-Pop und Chanson. Seine Stücke haben alles, was verwöhnte Ohren an Pop-Perlen so zu schätzen wissen: kuschelweiche Streicher, gefällige Melodien, Querflöten und Space-Sounds, oft kombiniert mit verführerischen Frauenstimmen und etwas süßer Melancholie. „Ich mag viele unterschiedliche Stile und will nicht etwa nur exzentrischen französischen Pop oder Electronica machen.“

So komponierte er 1997 den Soundtrack zum Film Quadrille. „Das war neu für mich, ich musste irgendwie die Bilder umsetzen.“ Dabei mag er die Soundtracks französischer Komponisten nicht besonders. Henri Mancini schon eher. „Ich habe zum Glück ein Lehrbuch von ihm, und immer wenn ich vergessen habe, wie man einen Part transponiert, sehe ich dort nach“, sagt er lachend.

Seine erste Begegnung mit Instrumenten hatte er mit acht Jahren, als er von den Eltern Klavierunterricht auferlegt bekam. „Aber ich war nicht begeistert und eigentlich auch sehr faul“, sagt er etwas verlegen. „Ich fand klassische Musik damals uninteressant. Mit elf wurde ich auf einmal verrückt nach all den Tasten und hörte nur Pink Floyd.“ Das Keyboard ist seitdem sein Hauptinstrument, daneben spielt er Bass und „ein bisschen von allem. Ich spiele ziemlich viele Instrumente ziemlich schlecht.“ Wenngleich seine Stücke sehr synthetisch klingen, benutzt er hauptsächlich analoge Instrumente. „Anfangs habe ich viel mit Samplern gearbeitet, dann bekam ich Sehprobleme und konnte die Anzeigen auf den Geräten nicht mehr lesen! Aber es ist vor allem eine Soundfrage. Ich verwende traditionelle Instrumente und versuche sie dann künstlich klingen zu lassen.“

Trotzdem sieht das Pariser Studio in der Rue Richer 52 nicht gerade so aus, als wäre es technisch auf dem letzten Stand. Ein selbst auferlegter Minimalismus? „Naja, normalerweise benutze ich einfach die Mittel, die mir zu Verfügung stehen. Ich mag diese Einschränkung.“ Sein letzter großer Erfolg war das Album des aktuellen enfant terrible der französischen Literatur, Michel Houellebecq. „Ich hatte gerade sein Elementarteilchen gelesen und spielte ihm einige Stücke vor, die ich für mein Album vorbereitet hatte. Er suchte ein paar Titel aus, änderte einige seiner Gedichte oder schrieb noch im Studio neue Texte.“

Burgalats erstes eigenes Album The Sssound of Mmmusic erschien 2000 in Frankreich, obwohl teils schon 1995 aufgenommen. Mittlerweile gehört es zur Grundausstattung in jedes Popregal. Stilistisch zwischen dichten Synthiesounds, poppigen Balladen und soundtrackartigen Klangteppichen, singt er darauf auch erstmals. Und prompt vergleicht man ihn mit Serge Gainsbourg. „Bis ich etwa 25 war, dachte ich, dass alles, was jemals aus den Pariser Variétés kam, Blödsinn war. Ende der Achtziger entdeckte ich ihn dann für mich und ich bin immer noch fasziniert von seinen Texten.“ Zu einem Treffen der beiden kam es nie, Gainsbourg starb vor zehn Jahren. Aber: „Bei einem Dinner saß ich einmal Jane Birkin gegenüber. Ich war sehr nervös und habe mich einfach nicht getraut, mit ihr über Musik zu sprechen.“ Was er ruhig hätte machen können. 

Montag, 21 Uhr, Fabrik

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