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Reden über Bremen

■ Stadtentwicklung?- Ein ahnungsloser Gesprächsauftakt

Urbanität bestimmt als magisches Stichwort den Stadtdiskurs. Wer sich nicht um die Sorgen der Stadt kümmert, ist kein stiller, sondern ein schlechter Bürger, so wurde und wird Thukydides zitiert. Verblüffend ist dabei nur, welch unterschiedliche Vorstellungsbilder im Laufe der Zeit dazu entstanden sind. Heute ist kaum mehr verständlich, dass Großwohnanlagen à la Tenever einmal unter dem Motto „Urbanität durch Dichte“ in die Welt gesetzt wurden. Hinterher war man schlauer. Doch sind wir inzwischen wirklich weiter in einer sinnvollen städtebaulichen Umsetzung dieses Begriffs, der wie kein zweiter einen Konsens suggeriert?

Wer die erste Veranstaltung der neuen Serie von Stadtentwicklungsgesprächen am Mittwoch im Haus der Bürgerschaft verfolgt hat, könnte Zweifel bekommen. Thema war: die City – Aushängeschild der Stadt.

Trotz des geballten Fachwissens auf und vor dem Podium waren die Beiträge in Anbetracht Bremischer Innenstadtprobleme weitgehend unkonkret. Das mag daran liegen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Effekte der gerade laufenden hiesigen Umbauanstrengungen noch nicht zu beurteilen sind. Das mag aber auch daran liegen, dass der Rede über die Aufwertung der Innenstädte immer etwas von einer Quadratur des Kreises anhaftet, von einerseits – andererseits. Jeder hat sein eigenes bevorzugtes Mischungsverhältnis. Das macht diesen Gegenstand so schwer diskutierbar, wie die Beiträge am Mittwoch abend zeigten.

Professor Wachten, der an einem Innenstadtentwicklungskonzept für Aachen arbeitet, wetterte gegen den Bilbao-Effekt, also auf die Hoffnung vieler Kommunen, mit spektakulären Stararchitekturen touristische Publikumsmagneten zu schaffen, weil das zu einer Art Gleichförmigkeit des Besonderen führe. Alles in allem schien er einen Spagat zwischen der Herausarbeitung stadtbildtypischer Strukturen und bewusst gesetzten modernen architektonischen Implantaten zu favorisieren. Wie das aber umzusetzen sei, blieb dunkel .

Die Definition von öffentlichem Raum, die der Berliner Bernhard Schneider im zweiten Referat vortrug, basierte im Prinzip auf der vormodernen Trennung von öffentlichen und privaten Bereichen. Öffentlicher Raum sei nicht auf einige Sahnestücke beschränkt, sondern als ein die ganze Stadt überziehendes Netz zu verstehen, für das die Kriterien Zugänglichkeit, Sicherheit und Orientierung maßgeblich seien. Dass Autos die Mobilität im öffentlichen Raum beschränken, wurde in diesem Zusammenhang wie eine überraschende Erkenntnis vorgetragen. Allein: welche stadtplanerischen Konsequenzen daraus erwachsen könnten, blieb unausgesprochen.

Waren schon die Hauptreferenten recht unkonkret, so schienen die heimischen Experten diese Haltung noch toppen zu wollen. Da fielen dem Architekten Rosengart nur die totalisierenden Stadtbildphantasien zur Weserfront von Leon Krier ein, um eine wünschenswerte Entwicklung der Bremer Innenstadt zu beschreiben. Kein Wunder, dass in Anbetracht solcher versteinerten Vorstellungen andere Architekten wieder von Glashäusern träumen.

Eva Schmidt von der GAK lenkte in ihrem minimalistischen Statement die Aufmerksamkeit auf innerstädtische Nischen wie den Güterbahnhof und auf die kreativen Impulse, die von den dort agierenden Künstlern ausgingen: ein sicher gut gemeintes Plädoyer.

Nils Koerber wollte mit nonkonformistischen Bekenntnissen nicht nachstehen und wünschte sich und allen am Stadtgestaltungsprozess Beteiligten „Mut zu Ecken und Kanten“. Und wie um diesen Mut zu unterstreichen, setzte auch er voll auf die Kultur, denn in ihren kommerziellen Bereichen, biete die Innenstadt ohnehin vor allem „überflüssige Dinge“.

Immerhin erfuhr man nebenbei von einer geplanten Aktion der Gruppe „CityCrimeControl“. Vielleicht gelingt es ja hier, den Gegenstand Stadt einfallsreicher zu behandeln. Eberhard Syring

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