Der Hunger wird noch bleiben

Anti-Hunger-Konfernz in Bonn diskutiert trotz allem optimistisch die Möglichkeiten neuer Technologien bei Nahrungsmitteln. Agrarkonzern präsentiert Wachstumsprognosen für genveränderte Nahrungsmittel. Verteilungsfrage nicht gestellt

aus Bonn ANNETTE HORNUNG

Den amerikanischen Traum von der besseren Welt verkündete gestern in Bonn ein hoch begabter Knirps aus Maryland, USA. Im Stil der auf dem dortigen Welternährungskongress versammelten akademischen Optimisten der Welthungerszene meinte der Teeny aus Maryland, David Dalrymple, mit Hilfe moderner Technologien nach dem McDonald’s-„Fast Food Modell“ könnten schon im Jahr 2020 mehr als eine Milliarde Menschen mit Nahrung versorgt sein.

Die Anti-Hunger-Konferenz, veranstaltet vor allem vom internationalen Agrarforschungsinstitut Ifpri aus Washington, dauerte bis gestern. Es sollten nicht Konflikte diskutiert werden. Stattdessen durften Redner aus Politik, Agrarforschung und Wirtschaft ihre Empfehlungen zur Bekämpfung des Hungers in der Welt vortragen. Tenor aller Theorien: Hunger muss nicht sein, die Menschen könnten sowohl genug für alle produzieren als auch vernünftig verteilen. Aber wie? Mit dem Spruch „Die Dringlichkeit, das Hungerproblem zu lösen, ist zu groß, wir wollen keine Chance verpassen“ würgte Klaus Ammann, von der Universität Bern und Direktor des Botanischen Gartens, zum Beispiel aufflammende Diskussionen über Gefahren der Gentechnik ab.

Prabhu Pingali, ein Direktor des mexikanischen internationalen Forschungszentrum Cimmyt, unterstrich die großen Erfolge der grünen Revolution in der Landwirtschaft der letzten Jahrzehnte. Sie habe wesentlich dazu beigetragen, das Heer der Hungernden zu verringern. Dass die Industrialisierung der Landwirtschaft mit immer größeren Flächen, mit Monokulturen und ihrer besonderen Anfälligkeit für Krankheiten und Schädlinge Bauern geschadet haben könnte, war nicht sein Thema.

Die Biotechnik-Lobby nützte die Konferenz für ihre Imagewerbung. An Infoständen warben Vertreter der Privatwirtschaft ganz friedlich neben Nichtregierungsorganisationen für ihre Politik. Manfred Kern von Aventis Crop Science setzte sich für Chancen der Gentechnik in der Agrarwirtschaft ein. Der Biologe geht davon aus, dass durch Bio- und Gentechnologie bis 2025 die USA, Australien und Kanada fast 30 Prozent ihrer Nahrungsmittelproduktion mit genetisch verändertem Material realisieren; Asien mit 20 Prozent, Lateinamerika mit 17 Prozent und Afrika mit etwa 6 Prozent.

Kern dämpfte zwar die Erwartungen an die Gentechnik im Kampf gegen den Hunger. Nach seinen Worten sind aber in Argentinien heute schon 80 Prozent der angebauten Soja gentechnisch verändert.

In Afrika sei Biotechnologie bisher kaum vertreten, Ausnahmen seien Länder wie Simbabwe und Südafrika. Jennifer Thomson, Professorin für Mikrobiologie in Kapstadt, lobte die großen Vorteile der Gentechnik für die südafrikanische Agrarwirtschaft durch genetisch veränderte Kartoffeln, Mais und Cassavafrüchte. Partnerschaften zwischen mehreren Ländern und öffentlichen Forschungsinstitutionen seien ein Weg, das Hungerproblem zu verringern.

Die NGOs nutzten die Konferenz, um Kontakte für die Welternährungskonferenz der FAO im November in Italien zu knüpfen. Sie kritisierten eine verfehlte Agrarpolitik und fordern auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Landes abgestimmte Lösungen.

Ifpri war peinlich darauf bedacht, die so genannte Zivilgesellschaft, zum Beispiel Bauern aus Honduras und Indien, neben Wissenschaftlern sprechen zu lassen. Trotz allem Optimismus waren nach einer Befragung 85 Prozent der Konferenzteilnehmer davon überzeugt, dass auch in zwanzig Jahren noch viele Millionen Menschen verhungern.

Im Netz: www.ifpri.org