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Die Besten der Besten unter sich

Auf den Rekrutierungsmessen der„Career Company“ trifft sich der hochkarätige Nachwuchs mit Unternehmensvertretern. Drei Tage dauert das „Recruiting“ im Normalfall, Bewerbungsgespräche finden im Stundentakt statt – nichts für schwache Nerven

von CHRISTA STORM

„Ach, die Personalchefs erzählen viel“, sagt Marta Urbaczewska und macht einen Schmollmund. „Nur Gutes. Aber das stimmt nicht immer.“ Marta kommt aus Posen, spricht akzentfreies Deutsch, trägt ein auberginefarbenes Kostüm und hat in den letzten Wochen die Vorraussetzungen für eine Bankenfusion geschaffen – dabei ist sie bloß die Praktikantin eines Münchener Konzerns. Jetzt steht sie im Berliner Hotel Estrel und strahlt. Marta Urbaczewska hat noch drei Interviews, also Vorstellungsgespräche, und erzählt, was die Personalchefs ihr über die Unternehmen erzählen: „Eigentlich sind alle ganz süß und lieb hier.“ Und wieder dieses Strahlen.

Kein Wunder – wer von der „Career Company“ eingeladen wird, hat den längsten Teil der Durststrecke bereits hinter sich und ist auf der Zielgerade angekommen. Viele Biografien der Jobkandidaten ähneln sich: Abitur, wirtschaftswissenschaftliches Studium in sieben Semestern, Praktika, Auslandserfahrung, Zweiteiler. Alter: Mitte bis Ende zwanzig. Die „Career Company“ sucht und findet nur Spitzenleute. Auf die „Recruiting“-Messe „Career in Finance“ aufmerksam werden die erfolgreichen Absolventen meist durch große Anzeigen in einschlägigen Magazinen oder durch Infostände vor der Mensa.

Marta Urbaczewska und die anderen 250 Bewerber haben ihren Lebenslauf eingeschickt, Examens- und Praktikazeugnissse, und den Rest hat die „Career Company“, die deutsche Tochter der weltweit agierenden Personalberatung „Emds Group“, erledigt. Zum Beispiel bundesweit nach vakanten Positionen suchen, Unternehmen einladen, Messestände aufbauen, kurz: Die Besten mit den Besten zusammen bringen. Dieser Service kostet die Unternehmen viel Geld – für die Bewerber dagegen ist die Rekrutierungsmesse kostenlos.

Drei Tage dauert das „Recruiting“ im Normalfall. Zuerst gibt es ein „Get Together“, da werden die Spielregeln erklärt, dann folgt ein Tag mit Bewerbungsgesprächen am laufenden Band. Der dritte Tag bleibt für spontane Interviews. „Wir verstehen uns untereinander gut, den Konkurrenzdruck spürt man überhaupt nicht“, behauptet Marta, die zu den wenigen rekrutierbaren Frauen gehört. Die Kandidaten wohnen zu zweit im Zimmer, die Abende im Estrel gehören der Mini- oder Hotelbar. Während des Bewerbungsmarathons einen klaren Kopf zu behalten, ist schwer. Manche Absolventen haben bis zu acht Interviews am Tag, die bis zu eine Stunde dauern können – nichts für schwache Nerven.

„Sie fragen immer, was man in fünf Jahren machen will“, erklärt ein Kandidat, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Da muss man aufpassen.“ Er zieht hektisch an seiner Zigarette und ascht auf den Hotelboden. „Man darf nicht zu hoch stapeln, aber auch nicht zu tief.“ Die Karrieremesse sei eine gute Gelegenheit, seinen Marktwert abzuchecken, sagt der Diplom-Betriebswirt, der in der Prozessoptimierung einer Berliner Bank arbeitet. Der Mittzwanziger will noch höher hinaus. Deswegen hat er sich Bücher besorgt, in denen steht, wie man sich während Vorstellungsgesprächen am geschicktesten darstellt.

„Ganz wichtig ist sicheres Auftreten und genug Schlaf vor dem Termin“, referiert der Prozessoptimierer und zündet sich schnell die nächste Zigarette an. Dann gehe man auch die berüchtigte Frage nach dem Wunsch-Jahresgehalt entspannt an: „Um plus-minus 5.000 Mark darf man sich ruhig verpokern.“ Und der Traumjob? Der Bänker sagt nur, was er nicht will: „Bloß keine Unternehmensberatung, da wäre ich zu viel unterwegs.“ Bekommt er ein gutes Angebot, sagt er gleich verbindlich zu. Ob er den Zuschlag wirklich erhält, entscheidet sich erst später. Die Chancen stehen gut: Jeder Zweite, der von der „Career Company“ eingeladen wird, findet durch diese hoch spezialisierte Form der Vermittlung einen Job.

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