: Umstrittenes Gutachten verzögert Verhandlungen
„Ich bin nicht gegen die Kita-Card“, sagt Anette Zapf, Leiterin der Eimsbütteler Kita Janusz Korczak. „Aber auf die Details kommt es an.“ Beispielsweise da-rauf, mit wieviel Personal das flexible Betreuungssystem auskommen soll. Zapf: „Bleibt es bei dem, was wir derzeit haben, können wir nur noch aufpassen, dass den Kindern nichts passiert.“ Schon jetzt werden Gruppen von 20 Kindern oft nur von einer Mitarbeiterin betreut, weil die Zweitkraft als Vertretung in einer Nachbargruppe arbeitet. Denn für Krankheit und Urlaub gibt es keinerlei Reserven.
Der Sozialpädagogin graut auch vor dem zusätzlichen Leitungsaufwand. Unter Kita-Card-Bedingungen muss sie ständig neu berechnenen, ob und wie die bewilligten Stunden noch zur Bezahlung des Personals reichen. „Mit 17 Mitarbeiterinnen und 1,4 Millionen Mark Gesamt-Etat sind wir ein mittlerer Wirtschaftsbetrieb“, für den nur 65 Wochenstunden Leitungszeit zur Verfügung stehen. Zapf fordert zwei freigestellte Leitungskräfte und eine Springerin für die Gruppenarbeit.
Das deckt sich mit dem, was Träger und städtische Vereinigung seit zwei Jahren vom Amt für Jugend verlangen: 14,9 statt 13 Leitungsstunden pro Gruppe und eine Flexibilitätsreserve an Erzieherwochenstunden. Entsprechende Zahlen liegen seit über einem Jahr auf dem Tisch. Doch die Verhandlungen stecken fest, weil die Behörde vom Gebot der Kostenneutralität ausgeht und bisher nur bereit war, künftig wegfallende Früh- und Spätdienste umzulegen. „Personalstandards sind für uns ein Knackpunkt. Wir sind bereit, die Kita-Card daran scheitern zu lassen“, sagt Ursula Wagner von der Caritas.
Um das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten, hat die Behörde nun ein weiteres Gutachten bei der Firma „Mummert & Partner“ in Auftrag gegeben. Die soll am Beispiel dreier Berliner Kitas untersuchen, wie groß der zusätzliche Personalaufwand tatsächlich ist, und ob es Einsparpotentiale im Leitungsbereich gibt. Aufgrund von Kooperationsschwierigkeiten mit den Verbänden, so heißt es im Gutachterauftrag, solle es keine Erhebung vor Ort in Hamburger Kitas geben. Bis das Gutachten fertig ist - frühestens im November - liegt dieser Verhandlungspunkt auf Eis. Ursula Wagner: „Wir stehen dadurch sehr unter Zeitdruck. Denn schon Mitte Januar soll die Kita-Card Vereinbarung als Vorlage in die Bürgerschaft kommen.“
Jürgen Näther, Leiter der Abteilung Kindertagesbetreuung im Amt für Jugend, hat für den „Blick nach Berlin“, von dem die Träger nur durch befreundete Verbände aus der Hauptstadt erfuhren, eine einleuchtende Erklärung: Auch gab es einen Systemwechsel in der Kindertagesbetreuung. Näthers Hypothese: Der Mehraufwand an Personal durch flexiblere Betreuungszeiten wird so groß nicht sein, „weil sich Zeitwünsche der Eltern nur befriedigen lassen, soweit sich das wieder in pädagogischen Gruppen organisiert“. Und weil Eltern für ihr Kind nur das Beste - Förderung in der Gruppe - wollten, werden sie weiter ihre Arbeitszeit nach dem Angebot richten.
Ursula Wagner hält den Vergleich für „holzschnittartig“. Behalte Berlin doch die Kernbetreuungszeit bei. Zudem seien die Elternbeiträge niedriger als in Hamburg, so dass Eltern sich auch längere Betreuungszeiten leisten können. kaj
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