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Perschau ist sauer auf die Zahlen

■ Der Rechnungshof bilanziert die Sanierungserfolge 1994-2000. Finanzsenator Perschau lässt sich seine Erfolge nicht „kaputt reden“ und kontert: „Überall brummt es.“

Bremens Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) ist stocksauer auf den Rechnungshof des Landes Bremen. „Der sitzt ganz offensichtlich zu viel in seinen Amtsstuben“, wütete Perschau. Der Rechnungshof „redet die erfolgreiche und schwierige Sanierungspolitik kaputt“, so Perschaus Vorwurf. In der Tat sind die Experten des Rechnungshofes von den stadtbremischen Baustellen nicht besonders beeindruckt – sie dürften es auch gar nicht sein: Sie sollen in ihren Amtsstuben sitzen und das Zahlenwerk, das ihnen der Finanzsenator zur Verfügung stellen muss, kritisch beurteilen. Ihr Fazit haben sie in der vergangenen Woche in einem Bericht zur „Entwicklung der Haushaltslage des Landes und seiner beiden Städte bis Ende 2000“ vorgelegt.

Als Erstes haben sie die Ausgaben und Einnahmen der „laufenden Rechnung“ einmal nebeneinander gestellt: Zahlen ohne Sanierungshilfen und Erlöse aus Vermögensveräußerungen, ohne Investitionssummen, aber mit den Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich. Im ersten Jahr der Sanierung, 1994, betrugen die Einnahmen Bremens bei 5,426 Milliarden Mark, die Ausgaben 6,537 Milliarden. Im siebten Jahr der Sanierung, also im Jahr 2000, lagen die Einnahmen 5,421 Milliarden, die Ausgaben bei 6,505 Milliarden. Diese Zahlen machen ohne Beschönigung das strukturelle Defizit des Bremer Landeshaushaltes deutlich. Es betrug 1994 wie 2000 gut eine Milliarde Mark, und wenn man die sieben Jahre zusammenrechnet, dann lag das Defizit im Durchschnitt pro Jahr bei 1,1 Milliarden Mark.

„Der Betriebsverlust für das Haushaltsjahr 2000 entspricht nahezu dem Verlust des Jahres 1994, dem Beginn des Sanierungszeitraumes“, stellt der Rechnungshofbericht trocken fest. Nach diesem Befund könnte man die Frage nach den Effizienz der Haushaltssanierung aufwerfen – ebenso wie die Frage, was nach dem Jahre 2005 sein wird, wenn dieses strukturelle Defizit nicht mehr aus Sanierungs-Hilfen zu decken ist. Denn nur ein Mal hat der damalige Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine (SPD) für sein Saarland und für Bremen die Phase der Sanierungshilfen verlängert. Ein zweites Mal ist dieses aber ausdrücklich ausgeschlossen. Solche Fragen zu stellen, zählt jedoch nicht mehr zu den Aufgaben des Rechnungshofes.

Zweiter Befund: „Die für Tilgung verwandte Sanierungshilfe in Höhe von 1,6 Milliarden Mark hat im Haushaltsjahr 2000 im Gegensatz zu den Vorjahren wegen der Aufnahme neuer Schulden keinen weiteren Schuldenabbau des Landes ermöglicht.“ Der offizielle Schuldenstand (ohne Schattenhaushalte) betrug Ende 1993, also vor dem ersten Sanierungsjahr, 17,976 Millionen Mark, Ende 2000 betrug er 18,158 Milliarden Mark.

Die Stagnation der Gesamtlage, die darin zum Ausdruck kommt, wird auch bei einem anderen Zahlenvergleich deutlich, die der Rechnungshof vorgenommen hat: Die Steuern und steuerähnlichen Abgaben des Landes Bremen und der beiden Städte lagen 1994 bei 2,56 Milliarden Mark, im Jahre 2000 bei 2,489 Milliarden Mark. Die Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich, die ein Indikator für die Hilfsbedürftigkeit Bremens sind, stagnierte in den sieben Jahren in ähnlicher Weise: 1994 lag sie bei 603 Millionen, 2000 bei 697 Millionen Mark. Bremens Abhängigkeit vom Länderfinanzausgleich ist also in sieben Sanierungsjahren nicht gesunken.

Der Rechnungshof hat zu der Frage, ob sich die Investitionen bisher in zusätzlichen Steuereinnahmen niedergeschlagen haben, klargestellt, dass es sich dabei um Hoffnungen handelt. Mit solchen Hoffnungen war schon das Konzept für die erste Sanierungsphase 1993 formuliert worden – mit bekanntem Ende. „Rückschauend zeigt die tatsächliche Steuerentwicklung, dass Steuereinnahmen und regionales Wirtschaftswachstum nicht in jedem Fall korrelat sind“, schreibt der Rechnungshof. 2000 sind die Steuereinnahmen einschließlich Länderfinanzausgleich um 6,7 Prozent gesunken, obwohl das Wirtschaftswachstum besonders hoch war, wenn auch mit 2,7 Prozent immer noch knapp unter dem Durchschnitt der alten Bundesländer. Merke: Von Aufholen keine Spur.

Und dann erinnert der Rechnungshof die Bürgerschaft an eine Weisheit, die einmal am Anfang der Sanierung stand: Wenn die Schulden weiter steigen, macht die Zinslast das Land handlungsunfähig – „Schuldenfalle“.

„Jeder, der sehen will, wird erkennen, dass es in Bremen und Bremerhaven aufwärts geht“, hat der Finanzsenator den Experten vom Rechnungshof entgegengeschleudert, „überall brummt es“. Nur wer „mit geschlossenen Augen durch die Stadt geht“, könne das übersehen.

Klaus Wolschner

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