piwik no script img

Der verdrehte Trainer

Hertha BSC schafft beim VfB Stuttgart ein glattes 0:0 und hat nach nur fünf Spielen schon fünf Punkte. Trainer Röber bleibt nicht mehr ganz so gelassen

aus Stuttgart OLIVER TRUST

Hans-Georg Felder ist ein netter Mensch und Pressesprecher bei Hertha BSC Berlin. Beides ist nicht leicht und zusammen schon gar nicht. Nicht neben einem Mann wie Jürgen Röber. Der ist immer öfter kein netter Mensch und Trainer von Hertha BSC. Nach dem 0:0 beim VfB Stuttgart warf Röber im Kabinengang wie beim Turnfest beide Arme hoch, drehte sich wie beim Anfängerkurs für Pirouetten der Deutschen Eislauf Union, verdrehte die Augen und stöhnte: „Das ist mir doch scheißegal.“ Nein, er rief, sogar sehr laut, so als befreite ihn das für den Moment von einer Last: „Ja, das ist mir scheißegal, so scheißegal.“

Dabei hatte ihn nur jemand gefragt, wie es nun mit ihm, dem ungeliebten Trainer, aussieht nach dem fünften Spiel und dem fünften Punkt. Das nämlich ist nicht viel, wenn etwa Manager Dieter Hoeneß bald mit der Meisterschale durchs Brandenburger Tor fahren will. Im Fußball kann man 15 Punkte gewinnen in fünf Spielen. Und jetzt zu Hans-Georg Felder, dem manchmal netten Menschen. „Den Druck“, raunte er (nicht ganz so laut wie Röber), „den macht doch ihr.“ Die von der Presse wieder.

Nun hat Röber tief drinnen ein weiches Herz. Das behauptet jedenfalls Felder. Deshalb, so die Erläuterung, hat Röber sich noch einmal gedreht (ohne Arme hoch) und sein dünnes Nervenkostüm erklärt. „Sechs Jahre hab ich hier Erfolg gehabt“, sagte er und stockte. Vielleicht hat er im Hinterkopf die Frage seiner vielen Kritiker im Verein gehört. „Na und?“, hätten die gefragt. Jetzt hat der Mann für 35 Millionen Mark neue Spieler eingekauft und liefert solche traurigen Spiele ab. „Sechs Jahre Erfolg und jetzt immer diese Fragen“, sagt Röber. Es gibt genug Vereinsmitglieder, die ihn am liebsten aus der Stadt tragen würden. Der Aufsichtsratschef Rupert Scholz zum Beispiel. Das wird er nächstens Wochenende tun, wenn Röber nicht gegen 1860 München gewinnt.

Aber vorerst wird er verteidigt. Von Hoeneß und von Felder. „Die Trainerfrage stellt sich nicht“, sagte Hoeneß. Röber hat nicht viel gesagt. Ein paar Sätze zwischen Tür und Angel. Kaum genug für einen Kurzfilm. „Der schlechte Start steckt nach der doch sehr guten Vorbereitung noch in den Köpfen.“ Oder: „Die Niederlage gegen Cottbus, die haben manche noch nicht weggesteckt.“

Die Spieler wollten dazu auch nicht mehr viel sagen. Sie eilen zum Mannschaftsbus. Da fragt keiner. „Sorry, keine Zeit.“ Gut, dass die Hertha bei Auswärtsspielen immer einen Piloten für ihr Flugzeug hat, der schnell weg will. „Wir haben noch viele Spiele, wo wir etwas verbessern können“, sagte Sebastian Deisler. Ob das auch für den Trainer gilt und ob der überhaupt schuld ist, wusste keiner. Nicht mal Manager Dieter Hoeneß: „Wir sind in einer Phase, wo wir über den Kampf zum Spiel finden. Ich hoffe, das hält nicht so lange an.“

Das wäre gar nicht gut. Dann müsste Dick van Burik, der Verteidiger, wie letzte Woche wieder sagen, es traue sich angesichts der gedrückten Stimmung keiner, etwas zu sagen. Keiner außer Röber und Felder, die manchmal sogar nett sind, wenn die Aufregung mal wieder nur von außen kommt und sie sich selbst so hübsch im Kreise drehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen