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CDU zwischen Che und DKP

Wie Frank Steffels migrantenpolitische Beraterin Emine Demirbüken auf dem Aktionstag gegen Rassismus mit Vertretern linker Gruppen diskutierte und dabei durchaus Punkte machte

von UWE RADA

Es war keine alltägliche Kulisse für eine CDU-Politikerin. Stände der DKP und der neu gegründeten FDJ, Bücher von Che Guevara und Gregor Gysi und allerlei rote Fahnen. Beim gestrigen Aktionstag gegen Rassismus, Neonazismus und Krieg war das ganze linke Spektrum vertreten, das sich auch von strömendem Regen nicht abhalten lässt.

Doch Emine Demirbüken, Mitglied im Beraterstab von CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel, ist auch keine alltägliche CDU-Politikerein. Als langjährige Ausländerbeaufragte von Schöneberg weiß sie, wie man Rassismus hierzulande buchstabiert, den behördlichen wie den im Alltag. Und sie weiß auch, wie man den Fallstricken linker Podiumsdiskussionen entgeht.

„Gegen Rassismus in Staat und Gesellschaft“ war Thema der Diskussion, an der Demirbüken gestern beim Aktionstag gegen Rassismus teilnahm. Senfo Tonkam von der Afrikanischen Flüchtlingsorganisation (ARA) hatte gleich zu Beginn den Ton vorgegeben. „Der schlimmste Rassismus ist der staatliche. Er erst macht den Rassismus im Alltag möglich, er erst gibt denen, die töten, das Gefühl, Recht zu haben.“ Den staatlichen Rassismus der Bundesrepublik im Visier hatte auch Fanny-Michaela Reisin von der Internationalen Liga für Menschenrechte. In bester Tradition linker Entlarvungsrhetorik zitierte sie die Europäische Erklärung des Menschenrechte, wies der Bundesrepublik den Verstoß gegen ebenjene nach und forderte ein deutsches Antidiskriminierungsgesetz.

Und Emine Demirbüken? „Die Forderung nach einem Antidiskriminierungsgesetz ist ein Anachronismus“, sagte sie und verwies auf die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie, die auch der Bundesrepublik die Vorlage eines Gesetzes bis 2003 vorschreibt. Statt ein solches Gesetz zu fordern, müsse vielmehr sichergestellt werden, dass es nicht von oben herab erlassen werde. „Wir selbst müssen dieses Gesetz mitschreiben“, sagte sie.

Doch Demirbükens Plädoyer, gemeinsam als Deutsche und Migranten die Geschichte des Landes zu schreiben, wurde nicht von allen geteilt. Vielmehr versuchte Fanny-Michaela Reisin ein ums andere Mal, die reine Wahrheit gegen die einer CDU-Politikerin zu verteidigen, auch wenn diese mehrfach betonte: „Gesetze reichen längst nicht aus, wir brauchen auch mehr Bildungschancen für Migranten.“

Emine Demirbüken, das zeigte sich gestern, ist nicht nur keine alltägliche CDU-Politikerin. Sie ist vielleicht überhaupt keine CDU-Politikerin, eher eine Politikerin in der CDU. Doch das war nicht Gegenstand der Debatte. Denn dann hätte man auch über andere Dinge reden können. Zum Beispiel darüber, dass die CDU Neukölln sie nicht auf einen sicheren Listenplatz stellte. Begründung: Deutsche Wähler könnten abgeschreckt werden.

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