piwik no script img

Emotionen in Pastell

„Wir durchbrechen so ein bisschen die Regeln der normalen Wahrnehmung“, sagt Sat.1-Marketing-Direktor Jobst Eversmann zum neuen Design seines Senders – und fragt sich selbstkritisch, ob man da nicht plötzlich zu hip und modern daherkommt

aus Köln TRISTAN THIELMANN

Sat.1, der „Ich drück dich“-Kuschelsender der Jasager, wird seit Anfang September von Gefühlen getrieben. „Powered by Emotion“ heißt der neue Slogan, mit dem Marketing-Direktor Jobst Eversmann versucht, die eher frauenlastige Kernzielgruppe anzusprechen. Der Anspruch: „Das emotionalste Unterhaltungsfernsehen Deutschlands“ zu zeigen.

Dummerweise hatten bei der TV-Design-Konferenz der Eyes & Ears of Europe noch an die 20 weitere europäische Fernsehsender und Agenturen ganz ähnliche Ideen. Noch nie gab es bei Europas Sendern so viele Relaunches und Überarbeitungen ihres TV-Designs wie im vergangenen Jahr.Und so entwickelte sich vor den Augen der 350 Konferenzteilnehmer ein emotionaler Wettstreit ums emotionalste Design.

Das muss natürlich mit Brimborium und einem anscheinend unverzichtbaren Claim – kommuniziert werden. Schließlich gibt man nur ungern zu, dass bei manch einem Kanal die Programmhinweise (Trailer) oder Imagespots bloß die nicht ausgebuchten Werbeblöcke füllen.

Unter dem wachsenden Wettbewerbsdruck dürfte sich die Halbwertzeit für TV-Design sogar noch weiter verringern, weshalb es nicht verwundert, dass Sat.1 sein neues Design in einem Schnellschuss von weniger als drei Monaten völlig umgestellt hat. Unterstützt wird der neue Look natürlich wie der alte „Ich drück dich“-Slogan durch Gesungenes. „Orange Blue“ – vom Namen her hätte das zwar besser zum neuen orange-blauen ZDF-Design gepasst – soll mit „Powered by Emotion“ für positive Sat.1-Gefühle beim Zuschauer sorgen. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Mainstream-Lala ein Hit wird, woran man bei Sat.1 nicht zweifelt. Das ist – vorsichtig formuliert – sehr mutig.

Merkwürdig mutig sind auch die selbstkritischen Töne, die Sat.1-Marketing-Direktor Eversmann („Wir durchbrechen so ein bisschen die Regeln der normalen Wahrnehmung“) anschlägt, wenn er laut über sein neues Logo mit dem großen kleinen „a“ in der Mitte nachdenkt: „Ist das noch Sat.1? Ist das nicht viel zu hip und modern?“ Schließlich soll das neue Design ja nicht die unter-, sondern gezielt die über 29-Jährigen ansprechen. Und auch ob die – gemäß Senderfamilienlogik – große Ähnlichkeit des neuen Sat.1-Auftritts mit dem bereits im April runderneuerten Pro-7-Look weiterhilft oder zur Verwässerung der Programmmarken führt, bleibt abzuwarten. Auffällig ist: Beide Sender setzen auf eher sanfte, pastellige Farbflächen, die nicht gerade die heftigsten Emotionen auslösen dürften.

Überhaupt erscheinen – wie bei vielen anderen Sendern auch – die schlicht zweidimensionalen Bildflächen eher fürs Internet als fürs Fernsehen konzipiert zu sein. Manfred Becker, Chefdesigner beim TV-Marktführer RTK und im Nebenjob TV-Design-Professor, hält so was für modisch – und Moden gehen vorbei: „Die wahnsinnige Vielfalt an Animationen, die das Programm zum Teil auch zudeckt, widerspricht allen Grundsätzen des Designs, sich auf seine Funktion zu beschränken und allein die Inhalte nach vorne zu bringen.“

Dass es auch ganz anders geht, zeigt ausgerechnet Arte. Die Zuschauer sehnten sich nach den Sendungen nach Verdauungspausen. Kleine dreiteilige Geschichten, so genannte „Atempausen“, übernehmen seit Anfang 2001 diese Aufgabe.

Bei der angestrebten Produktion von mehr als 100 solcher Spots stellt sich in Zeiten knapper Kassen aber auch die Frage: Wie viel dürfen die neuen Kleider, darf die Habillage – wie die Franzosen ihre Designverpackung nennen – kosten? Becker: „Mittlerweile haben sich die Verhältnisse bei den Öffentlich-Rechtlichen und den Privaten völlig umgedreht.“ Der neue ZDF-Auftritt zum Beispiel habe inklusive „Mit dem Zweiten sieht man besser!“-Fingerspots über 10 Millionen Mark gekostet, schätzt Becker. „Dafür muss man Geld haben, was die Öffentlich-Rechtlichen anscheinend immer haben.“ Doch immerhin findet Becker des ZDF-Design „gut gemacht“, im Gegensatz zum Sat.1-Gefühl. Das zeige „weiterhin die Unentschlossenheit. Die wissen immer noch nicht, wo sie hinwollen. Daher versucht man es mit ein paar Wohlfühl-Förmchen.“

Ach, wäre Sat.1 bloß auf den Vorschlag einer am Wettbewerb beteiligten Agentur eingegangen, ganz auf ein Logo zu verzichten. Das wäre nicht nur sehr billig, sondern auch innovativ gewesen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen