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Abgedrängt in den Regenwald

betr.: „Das Bevölkerungswachstum trägt dazu bei, dass immer mehr Arten vom Aussterben bedroht sind“, taz vom 1. 9. 01

Die permanente Wiederholung der Behauptung, das Bevölkerungswachstum in den so genannten Entwicklungsländern sei für das Artensterben und die globale Umweltzerstörung verantwortlich, macht diese nicht richtiger. Es mag stimmen, dass arme Menschen nicht das gleiche Umweltbewusstsein haben wie westliche Wohlstandsbürger, die Auto fahren und für den WWF spenden. Das führt WWF und DSW (Deutsche Stiftung Weltbevölkerung) zu dem Schluss, dass die Zahl dieser armen Menschen dezimiert werden muss, um die Umwelt zu retten. Man könnte auch deutschen Fleischessern nahe legen, ihr Reproduktionsverhalten zu verändern: Durch den Anbau von Sojabohnen in Brasilien, die in der deutschen Tiermast verfüttert werden, wird genau jenen Hungerleidern Ackerland zur Nahrungsmittelproduktion vorenthalten, die in den Regenwald abgedrängt werden und dort versuchen zu überleben.

Wissenschaftlich kann auf Grund dieser und vieler anderer Zusammenhänge von Armut, Umweltzerstörung und ökonomischen Abhängigkeitsbeziehungen das Bevölkerungswachstum in den Regenwaldgebieten nicht als Hauptursache des Artensterbens angegeben werden. Die von WWF und DSW übersetzte Studie der Population Action International geht somit an den Zusammenhängen zwischen dem Armut- und Reichtumsgefälle in der Welt und der Umweltproblematik vorbei.

Die Landlosenbewegungen, welche die extrem ungleiche Landverteilung verändern wollen, werden mittels massiver Repression seitens des Staates und der Großgrundbesitzer bekämpft. Wo bleibt die Kampagne des WWF und anderer Umweltverbände für eine gerechtere Landverteilung in den Ländern des Südens? Warum wird nicht gegen die Reduzierung des bundesdeutschen Entwicklungshilfeetats protestiert oder die Förderung der Verbreitung von Solarkochern gefordert? Mit etwa 25 Milliarden Mark für 500 Millionen Solarkocher – ein Bruchteil der Summen, die in Bau und Entwicklung des Eurofighters gesteckt werden – könnte so die ökologische verheerende Abholzung zur Gewinnung von Brennholz gestoppt werden. Anstatt die herrschenden Verhältnisse zu kritisieren und gesellschaftliche Veränderungen zu fordern, werden von DSW und WWF deren Opfer, die Menschen des Südens, zu den Tätern erklärt. Es ist nichts gegen Maßnahmen einzuwenden, welche sexuelle Aufklärung und reproduktive Selbstbestimmung fördern. Wer allerdings meint, durch das Verteilen von Kondomen das Artensterben zu verhindern, ist entweder naiv oder fördert bewusst Ressentiments gegen die Menschen in den ärmeren Ländern. MARCUS BRÖSKAMP, Berlin

Die Redaktion behält sich den Abdruck und das Kürzen von Briefen vor. Die veröffentlichten LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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