Atomkraftwerke nicht gefeit

■ Meiler verkraften bestenfalls Flugzeugabstürze, aber keine Anschläge. Stade, Brunsbüttel und GKSS am verwundbarsten

Die Atomkraftwerke rund um Hamburg hätten einem gezielten terroristischen Angriff nach dem Muster der Attacke auf das World Trade Centre wohl nicht standgehalten. Die Meiler sind zwar je nach Alter auf den Absturz großer oder auch nur kleiner Flugzeuge ausgelegt. Mit einem Terror-Angriff habe jedoch „bis gestern niemand gerechnet“, sagte die hörbar schockierte Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums, Jutta Kremer-Heye. Besonders gefährdet sind die aus den 70er Jahren stammenden Kraftwerke Stade und Brunsbüttel. „Würde ein Jumbo auf Brunsbüttel fallen, würde es zu einer massiven Freisetzung kommen“, urteilte Herbert Schnelle, Sprecher des schleswig-holsteinischen Energieministeriums.

Zu Stade stellte ein Arbeitsstab des Umweltausschusses der Bürgerschaft 1987 fest: „Die Betonhülle des Reaktorgebäudes soll nach Angaben des Betreibers nach statischen Rechnungen dem Absturz kleiner Zivilflugzeuge und dem von Militärmaschinen bis zu einem Gewicht von zehn Tonnen und einer maximalen Aufprallgeschwindigkeit von 238 Stundenkilometern standhalten. Schwereren Zivilflugzeugen oder dem Absturz schnellerer Militärmaschinen hält die Kuppel nicht stand.“

Erst ab 1983 mussten Reaktorgebäude nach Auskunft des Bundesumweltministeriums (BMU) den Aufprall schnell fliegender Militärjets wie etwa des notorisch absturzgefährdeten Starfighters aushalten können. Zu diesem Zweck wurden bis zu zwei Meter dicke Stahlbetonkuppeln errichtet, die jedoch ebenfalls nicht auf gezielte Angriffe ausgelegt waren, etwa den Aufprall zweier Zivilmaschinen hintereinander. „Sie können, wenn Sie das als Bedrohungsszenario unterstellen, keine Anlage sichern“, sagte Michael Schroeren vom BMU.

Als die Leitlinie der Reaktorsicherheitskommission (RSK) zum Bau von Atomkraftwerken erarbeitet wurde, schien der Absturz von Verkehrsflugzeugen vernachlässigenswert. Die Wahrscheinlichkeit dafür sei im Vergleich zu Militärjets 100-mal kleiner, so Lothar Hahn, der Vorsitzende der Kommission, die das BMU berät. Die mehr als 20 Jahre alten Sicherheitskonzepte werde man jetzt überdenken müssen. Allerdings dürfe man sich dabei nicht zu sehr auf das aktuelle Szenario konzentrieren. Hahn: „Das geht auch mit weniger Aufwand.“

Auch die dezentralen Zwischenlager für verbrauchte Brennelemente müssen nach Empfehlung der RSK gegen Flugzeugabstürze geschützt werden. Sie gelten zwar als zweitrangige Ziele, weil sie neben den viel brisanteren Atommeilern liegen. Dennoch ist ihre Widerstandsfähigkeit aus Sicht der rot-grünen Kieler Landesregierung, nach jetziger Planung, „nicht ausreichend“. Und zum Geesthachter Forschungsreaktor der GKSS stellt Kiel fest, er sei „wie die meisten in der Bundesrepublik betriebenen Forschungsreaktoren nicht gegen Flugzeugabstürze ausgelegt“. Gernot Knödler